Menschliche Mobilität
2008–2020
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Vorhersagbarkeit
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COVID-19
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Mobiles Anrufnetzwerk
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Mobilitätsmuster
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Menschliche Mobilität | Videokommentar von Albert-László Barabási
Menschliche Mobilität | Videokommentar von Albert-László Barabási
Die verschiedenen Visualisierungen zum Thema der menschlichen Mobilität basieren auf der Auswertung von Daten, die von Mobilfunkanbietern gesammelt wurden, und der Analyse von Tweets auf Twitter. Die Arbeiten erfassen die räumlichen und zeitlichen Bewegungsmuster von Menschen – und wie sich diese durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie verändern. Sie offenbaren auch die Vorhersehbarkeit in alltäglichen menschlichen Verhaltens- und Kommunikationsmustern. Da diese Mobilitäts- und Kommunikationsnetzwerke die Verbreitung erleichtern, zeigen die Arbeiten ebenso die Auswirkungen der Übertragungsmuster von Viren und die Verbreitung von Fake News.
Die erste wissenschaftliche Arbeit des BarabásiLabs zur Mobilität erschien am 5. Juni 2008 unter dem Titel »Understanding Individual Human Mobility Patterns« [Individuelle menschliche Mobilitätsmuster verstehen] auf der Titelseite der Zeitschrift »Nature«. Die Forschungsarbeit stützte sich auf Daten, die eine europäische Mobilfunkfirma erfasst hatte, um die physischen Standorte und zeitlichen Verläufe einzelner Handynutzer:innen aufzuzeichnen. Die Visualisierungen »Mobility« [Mobilität] zeigen exemplarisch individuelle Bewegungen im Zeitverlauf, wobei die geografische Bewegung durch die Aneinanderreihung von Echtzeitstandorten nachvollzogen werden kann. Die Daten ermöglichten auch eine außergewöhnliche Vorhersagbarkeit täglicher Routinen: Durch die algorithmische Analyse der anonymisierten Datensätze gelang es dem BarabásiLab, den zukünftigen Standort einer Person mit 93-prozentiger Genauigkeit vorauszusagen. Die beiden Grafiken »Rhythms« [Rhythmen] zeichnen die Wege zweier Personen nach, die sich mit unterschiedlichen Graden an Vorhersehbarkeit in einer Großstadt bewegen. Während eine Person etwa ein Dutzend Orte besucht, besucht die andere rund einhundert. Der dargestellte Raum ist in ein Voronoi-Gitter unterteilt, das die Empfangsbereiche aller dort positionierten Mobilfunktürme erfasst. Diese Unterteilungen veranschaulichen, wie der Raum die menschliche Mobilität einschränkt. Nicht nur die befahrenen Verkehrswege nehmen Einfluss auf die täglichen Bewegungsmuster der Menschen, auch die sozioökonomische Existenz ist an unsichtbare Strukturen gekoppelt.
Emergencies (2011)
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Stress-Netzwerke
Mobiles Anrufnetzwerk
Menschliche Reaktionen
Kontakt-NachverfolgungUm herauszufinden, wie sich das menschliche Verhalten in Krisensituationen verändert, wertete das BarabásiLab die Mobilitäts- und Anrufmuster von Zeug:innen verschiedener Notsituationen aus. Das Verfahren stellt eine Vorstufe der Kontaktpersonen-Nachverfolgung dar, die beispielsweise bei COVID-19 zum Einsatz kommt.
Die Netzwerke in »Emergencies« [Notfälle] illustrieren die Anrufe nach zwei unterschiedlichen Bombenanschlägen in Spanien: Die rote Grafik visualisiert das Anrufverhalten unmittelbar nach der Explosion einer Bombe im Flughafen Madrid-Barajas 2006, die grüne Grafik erfasst die plötzliche Änderung der Rufmuster nach einer explodierten Autobombe im Baskenland 2009. Die Anrufe der unmittelbaren Zeug:innen der Ereignisse werden als Quadrate, die von Bekannten nach Erhalt der Nachricht als Kreise dargestellt. Je größer das Symbol, umso mehr Anrufe wurden getätigt. Die Farben erfassen die Zeit. Das zunehmend blaue Farbspektrum stellt Personen dar, die am Ende der Anrufkette stehen und somit die Nachricht später erhalten.
Beide Visualisierungen machen das sensible Gefüge des sozialen Netzwerks sichtbar, das bei Notfallsituationen in Aktion tritt. Sie zeigen auch, dass, während die meisten Nachrichtenketten in kleineren Bereichen des sozialen Netzwerks versanden, einige wenige Zeug:innen ein globales Bewusstsein schaffen, indem sie das Engagement Hunderter Individuen auslösen.
Fake News (2018 )
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Die Verbreitung des #Pizzagate
Soziale Medien
NachrichtenverteilungDie Verbreitung von Fake News wird durch soziale Medien begünstigt. Das zeigt der sogenannte Pizzagate-Skandal, eine Verschwörungstheorie, die die US-Wahlen 2016 beeinflusste und als erster gut dokumentierter Fall von Fake News gilt. Hochrangigen Funktionären der Demokraten wurde unterstellt, einen Prostitutionsring im Keller einer Pizzeria in Washington, DC zu betreiben.
Um die Entstehung und Verbreitung von Fake News wie dem Pizzagate-Skandal zu erfassen und die wichtige Rolle von Bots bei deren Verbreitung zu verstehen, entwickelte das BarabásiLab das »Fake News«-Netzwerk. Es zeigt die Verbreitung von Tweets, die den Hashtag #pizzagate auf Twitter teilen. Mithilfe eines Botometers, eines Instruments aus dem Bereich der künstlichen Intelligenz, das Menschen von Bots unterscheidet, ließ sich feststellen, ob die Tweets von Bots, also von programmgesteuerten Accounts, oder von realen Personen retweetet wurden. Die Anzahl der Tweets, die von einem Bot erstellt wurden, sind durch die ockerfarbenen, die von realen Personen durch türkisfarbene Knoten visualisiert. Die Verknüpfungen zwischen den Knotenpunkten stellen die Retweets über den Hashtag #pizzagate dar.
Albert-László Barabási, Mauro Martino, Nima Dehmami, Onur Varol, »Fake News«, 2018
BarabásiLab, »Fake News«, 2018
Fake News | Videokommentar von Albert-László Barabási
Fake News | Videokommentar von Albert-László Barabási
My 21st Century (2020)
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Atmendes New York
COVID-19
Mobilitätsmuster
LockdownDas Video »My 21st Century« [Mein 21. Jahrhundert] führt die wissenschaftliche Auseinandersetzung des BarabásiLabs mit der menschlichen Mobilität zu einer höchst aktuellen Anwendung. Durch die Auswertung der Mobilfunkdaten von Handynutzer:innen in Manhattan, New York, vor und nach dem Ausbruch des COVID-19-Virus, macht das Lab sichtbar, in welchem Ausmaß sich das Verhalten der Menschen durch die Pandemie verändert hat.
Die Karte Manhattans zeigt den täglichen Bewegungsrhythmus der Bevölkerung. Wie atmende Lungenflügel vergrößert sich die kartografische Darstellung mit der Ankunft der Menschen am Morgen und zieht sich zusammen, sobald sie die Stadt gegen Abend wieder verlassen. Am 22. März 2020, dem ersten Tag des Lockdowns, verfällt die Stadt in eine Schockstarre und die kartografische Darstellung kollabiert. Nach diesem Tag kehren die Bewegungsrhythmen innerhalb Manhattans zurück, jedoch mit reduziertem Ausschlag, was den neuen postpandemischen Normalzustand widerspiegelt.
Albert-László Barabási, Michael Danzinger, Alice Grishchenko, Ryan Qi Wang, »My 21st Century, Breathing New York«, 2020
BarabásiLab, »Mein 21. Jahrhundert«, 2020
My 21st Century | Videokommentar von Albert-László Barabási
My 21st Century | Videokommentar von Albert-László Barabási
Viruses (2009)
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Die Entstehung einer Pandemie
Vorhersagbarkeit
Mobilfunkdaten
Ausbreitung von VirenBereits ein Jahrzehnt vor der Corona-Pandemie versuchte das BarabásiLab nachzuvollziehen, wie sich Viren über Ländergrenzen hinweg global ausbreiten. Hierfür wertete das Team Daten verschiedener Mobilfunkfirmen aus, um die Verbreitung eines potenziellen Mobilfunkvirus zu kartieren und sein verstecktes Übertragungsmuster vorherzusagen. Das enthüllte Muster ähnelt auffallend dem, was bei der asymptomatischen Ausbreitung des COVID-19-Virus beobachtet wurde.
Die Serie »Viruses« [Viren] dokumentiert die zeitliche und räumliche Infektionsverbreitung in einem Gebiet Europas. Von links nach rechts verlaufend, zeigt die Sequenz, wie ein Mobilfunkvirus, der in einem ländlichen Gebiet beginnt und aufgrund räumlicher Nähe weitergegeben wird, zunächst dicht besiedelte Regionen infiziert und sich dann wieder von städtischen zu ländlichen Gebieten hin ausbreitet, bis er flächendeckend in Erscheinung tritt. Das Voronoi-Gitter markiert pro Unterteilung den Empfangsbereich eines Mobilfunkturms. Die unterschiedlichen Farben der Zellen entsprechen dem Prozentsatz der Infektionen innerhalb der jeweiligen Region – die Infektionsrate nimmt dabei von farblosen über blaue bis hin zu roten Zellen zu.