Raindance Foundation
Videoarchiv
Als alternativer Medien-Thinktank gründete sich die Raindance Corporation 1969 (ab 1971 Raindance Foundation) in New York City. Die Gründungsmitglieder um den ersten Präsidenten Frank Gillette schufen eine Struktur für die Entwicklung von Theorien und neuartigen Videoformaten, die sich in kritischer Opposition zu den großen Fernsehsendern sahen. Denn Dank des zwei Jahre zuvor auf den Markt gekommenen Sony Portapaks – dem ersten tragbaren, batteriebetriebenen Videoaufnahmegerät für den Privatgebrauch – war das Unterlaufen der Monopolstellung US-amerikanischer Sender erstmals denkbar geworden. Die tatsächliche Machbarkeit auszuloten – dieses Ziel einte Gillette, Michael Shamberg, Louis Jaffe und Marco Vassi. Gestützt durch die Protestbewegungen der 1960er-Jahre und angeregt durch die Theorien von Marshall McLuhan, Buckminster Fuller und Gregory Bateson, nahm Raindance Politisches wie Künstlerisches in den Blick.
Das Vorhaben, neue Informationsstrukturen außerhalb kommerzieller Interessen zu entwickeln, zog immer mehr KünstlerInnen an. Mit Phyllis Gershuny, Beryl Korot und Ira Schneider gewann Raindance Mitglieder, durch deren Beiträge die Raindance Foundation internationale Sichtbarkeit bekommen würde. Die von Gershuny und Korot entwickelte Publikation »The Video Newsletter« legte den Grundstein für das Magazin »Radical Software«, das in den Jahren 1971 bis 1974 erschien und VideoaktivistInnen weltweit vernetzte. Die Zeitschrift wirkte mit an der Geburt der Videobewegung und der Entstehung einer intellektuellen Strömung, in denen sich Video, Kybernetik, Computertechnik, sozialer Aktivismus, Gegenkultur und Kunst vermengten. Sämtliche Ausgaben sind Teil des Archivs der Raindance Foundation am ZKM.
Mit »Guerrilla Television« (1971) und »Video Art: An Anthology« (1976) gingen weitere für die Geschichte von Fernsehen und Videokunst wesentliche Publikationen aus der Foundation hervor. Michael Shambergs »Guerillia Television« präsentierte die alternative Medienphilosophie der Raindance Foundation sowohl in theoretischen Überlegungen wie praktischen Anleitungen. Als HerausgeberInnen von »Video Art« schufen Beryl Korot und Ira Schneider einen Überblick über die Videoszene ihrer Zeit.
Bestand
Das Archiv umfasst Videos der Mitglieder der Foundation – zum Beispiel von Frank Gillette, Beryl Korot, Paul Ryan und Michael Shamberg – sowie der ersten Generation US-amerikanischer VideokünstlerInnen wie Maxi Cohen und Joel Gold. Die Arbeiten Ira Schneiders bilden dabei einen Schwerpunkt des Videoarchives. Unter anderem findet sich Material zu seinen Werken »Yucatan Previews« (1973), »Manhattan is an Island« (1974) und »Who Killed Heinrich Hertz?« (1987). Zeithistorische Aufnahmen bilden einen weiteren Bestandsfokus: Reden des US-Präsidenten Richard Nixon, eine Dokumentation des ersten »Earth Day« 1970 sowie des berühmt gewordenen New Yorker Stromausfalls im Juli 1977. Nachrichtenaufzeichnungen der Sender CBS und NBC, aber auch beliebter Fernsehserien wie »The Phil Silvers Show« gehören ebenfalls dazu. Auch Dokumentationen universitärer Veranstaltungen archivierte die Raindance Foundation, wie zum Beispiel der Alternative Media Conference am Goddard College 1970 oder eines Vortrages von Gregory Bateson an der New Yorker City University 1974. Darüber hinaus enthält der Bestand das Archiv von »Night Light TV«, einem Videokunstprogramm, das Ira Schneider von 1980 bis 1992 für die Kabelkanäle Manhattan CATV und Group W zusammenstellte.
Das vollständige, über 500 Datenträger umfassende Videoarchiv der Raindance Foundation übergaben die KünstlerInnen 2009 an das ZKM. Zuvor waren die Bänder im New Yorker Museum of Modern Art (MoMA) beheimatet. Die Halb-Zoll-Spulen und U-Matic-Kassetten, darunter auch seltene und schwer zu handhabende Halb-Zoll-Loop-Kassetten, wurden durch das ZKM | Labor für antiquierte Videosysteme restauriert und digitalisiert. Das Archiv ist für Forschungszwecke zugänglich. Die Videoarchive von Frank Gillette, Ira Schneider und Paul Ryan, die sich ebenfalls am ZKM befinden, können ergänzend konsultiert werden.
2017 widmete das ZKM der Raindance Foundation unter dem Titel »Radical Software. The Raindance Foundation, Media Ecology and Video Art« eine Retrospektive, die 2018 auch im West in Den Haag zu sehen war, sowie ein Symposium (»Raindance. Research and Development in Video Art and Media Ecology«).
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KünstlerInnen des Archivs
Ant Farm, Joseph Beuys, Maxi Cohen, Tom (Dewitt) Ditto, Juan Downey, Dean und Dudley Evenson, Phyllis Gershuny, Davidson Gigliotti, Frank Gillette, Vic Gioscia, Joel Gold, Peter Ivers, Louis Jaffe, Russ Johnson, Beryl Korot, Paul Krassner, Phil Niblock, Paul Ryan, Ira Schneider, Michael Shamberg, Jody Sibert, Harvey Simond, Marco Vassi, Megan Williams, Yud Yalkut sowie viele weitere.
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Mitglieder der Raindance Foundation
Dean und Dudley Evenson, Phyllis Gershuny, Frank Gillette, Vic Gioscia, Louis Jaffe, Russ Johnson, Beryl Korot, Paul Ryan, Ira Schneider, Michael Shamberg, Jody Sibert, Harvey Simond, Marco Vassi, Megan Williams
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