Instrumente und Geräte von Harald Bode

Text von Caspar Abocab

Harald Bode an der Werkbank.

Um 1935 gründete Harald Bode, ein studierter Physiker im Alter von 26 Jahren, mit einem starken musikalischen Hintergrund - sein Vater war Orgelspieler und Lehrer, seine Mutter spielte Cembalo - in seiner Heimatstadt Hamburg ein Aufnahmegeschäft mit einem Mikrofon und einem Aufnahmegerät.

Die Aufnahmetechnik war zu dieser Zeit noch nicht sehr weit fortgeschritten, und so kam Harald mit dem Problem in Berührung, einen Konzertflügel richtig aufzuzeichnen. Zu dieser Zeit wurden bereits Konzertflügel mit Tonabnehmern entwickelt, um die Schwingungen der Saiten in elektrische Wellen zu übertragen. Einer davon war der Steinway-Hiller-Flügel (der patentiert wurde, aber nie in Produktion ging). Harald bekam davon Kenntnis und verbesserte es weiter. Ihm schwebte aber vor, ein Instrument zu bauen, das musikalische Klänge komplett aus Elektronik erzeugt, und zwar mithilfe von Vakuumröhren, die zu dieser Zeit der Stand der Technik für Radios und viele andere elektrische Geräte waren.

Es gab eine Forderung der Komponisten nach neuen Klangfarben, über die in Deutschland bereits 1888 geschrieben worden war. Die Physiker Herrmann und Trautwein hatten in den Zwanziger- und frühen Dreißigerjahren die Eigenschaften der menschlichen Stimme untersucht und dabei herausgefunden, dass alle musikalischen Klänge auf dem gleichen Prinzip beruhen: Die Formanten und die Saalformanten, Gruppen von Obertönen mit höherer Intensität als andere Obertöne, bilden die Klangfarbe, das Timbre des Klangs. Nach diesem Prinzip plante Harald sein erstes Instrument, das eigentlich die Fähigkeiten eines Synthesizers haben sollte, wie er selbst und Dr. Thom Rhea später feststellten. Die Klänge konnten frei aus verschiedenen Parametern mithilfe von Halbdreh- und Stoppknöpfen erzeugt werden.

Den Begriff Synthesizer gab es allerdings noch nicht. Es gab hier und da ein paar elektronische Instrumente, die mehr als Kuriosität in der Presse erwähnt wurden, als dass sie von einem breiteren Publikum gehört wurden. Nur Hammond hatte in Amerika ein kommerziell erfolgreiches Instrument gebaut. Ondes Martenot in Frankreich hatte eine breite Unterstützung durch Musikakademien und zeitgenössische Komponisten, und das Sphaerophon, Trautonium und Hellertion waren in Deutschland einigermaßen bekannt. Trautonium und Hellertion waren unter akademischen Bedingungen entwickelt worden, und die Entwicklung des Sphaerophons und seiner Vorgänger wurde von der Regierung, privaten Sponsoren und der großen Elektronikfirma Telefunken umfassend unterstützt. Als Harald beschloss, etwas zu bauen, das er als elektronische Orgel bezeichnen würde, stand er, was die finanzielle Unterstützung anging, mitten im Nirgendwo. Woher sollte er die Mittel nehmen? Bei einem Vortrag, den er über die Entwicklung seines Steinway-Hiller-Klaviers hielt, fand er Christian Warnke, einen Geiger mit starkem Interesse an diesen neuen Mitteln der Musikalität. Nachdem Harald mit einem Breadboard-Modell mit Türklingelknöpfen als Tastern die Machbarkeit des Instruments bewiesen hatte, sponserte Herr Warnke das Projekt.

Harald Bode, Warbo Formant Organ, 1937

Warbo-Formant-Organ

 

Hersteller:

 Harald Bode, Christian Warnke

Jahr:

 1937

 

Mit der Warbo-Formantorgel konnten vier Töne gleichzeitig gespielt werden. Das war ungewöhnlich, denn Mehrstimmigkeit war in elektronischen Instrumenten nicht so einfach zu realisieren wie heute. Was Harald erstmals realisierte, war Polyphonie mit deutlich weniger Röhren, als in den bisherigen Instrumenten nötig waren. Die Konstruktion erlaubte auch eine einzigartige Art der Klangerzeugung. Im September 1937 wurde die Warbo-Formant-Orgel in einem Kino und im November in einer Art Matinée in einem Künstleratelier der Öffentlichkeit vorgestellt. Sie sorgte für Aufsehen in der Presse.1

Der Gedanke war, dass diese Art von Instrumenten erfolgreich sein könnte, wenn sich Komponisten finden würden, die bereit wären, die Möglichkeiten neuer, origineller Klänge zu nutzen, anstatt bekannte Instrumentalklänge zu imitieren. Eine Rezension der Präsentation schloss mit: »Bodes Talent scheint groß und vielversprechend genug, um von ihm weitere Schritte in diese Richtung zu verlangen.« Zwei Versionen der Instrumente wurden gebaut und später an das Institut für Hochfrequenztechnik an der Universität Hannover gebracht, wo Oskar Vierling und Fritz Sennheiser, der spätere Gründer der Firma Sennheiser, Professoren waren. Das Institut wurde im Krieg zerstört und damit auch die Warbo-Formant-Orgel. Bis heute ist keine Aufnahme des Warbo Formant gefunden worden. Die frühesten bekannten Aufnahmen von Haralds Instrumenten sind die des Melodiums, das dem Warbo Formant etwa drei Jahre später folgte.

 

Siehe Tom Rhea Artikel über die Warbo-Formant-Orgel in »Contemporary Keyboard Magazine«, 1979: »Harald Bode’s Four-Voice Assignment Keyboard (1937)«

Harald Bode, Melodium, 1937

Melodium

 

Hersteller:

 Harald Bode und Oskar Vierling

Jahr:

 1938

 

Das Melodium war ein monophones, anschlagdynamisches Tasteninstrument, ein Melodieinstrument, das eine breite Palette von Klangfarben erzeugte.2 Wie die Warbo-Formantorgel entstand es aus Haralds Eigeninitiative, neben seiner beruflichen Tätigkeit. Harald hatte in der Zwischenzeit ein Aufbaustudium am Institut für Schwingungsforschung, dem ehemaligen Heinrich-Hertz-Institut, abgeschlossen und arbeitete als Entwicklungsingenieur auf verschiedenen Gebieten der Elektronik. Haralds Intention war es, die Erforschung und Erzeugung von satten Klangfarben zu ermöglichen und diese so einfach zu spielen, wie man es auf einem Klavier tun würde. Dr. Tom Rhea schrieb über das Melodium:

Its monophonic design arose from a technical liability of the Warbo Formant Organ. [He] realized that a monophonic instrument would present far fewer tuning problems than the radical Formant Organ. (Tom Rhea, 1980)

Das Melodium entstand in Zusammenarbeit mit Oskar Vierling, einem sehr erfahrenen Konstrukteur von elektrischen und elektronischen Instrumenten. Vierling war Leiter der Gruppe »Elektrische Musik« am Institut für Schwingungsforschung in Berlin, das ab 1930 die erste Adresse für den Bau elektrischer Musikinstrumente war. Die amerikanischen Erfinder Benjamin Miessner, Pionier des elektrifizierten Klaviers, und Winston E. Kock, Schöpfer der elektrischen Baldwin-Orgel, hatten dort einige Jahre zuvor mit Vierling studiert und gearbeitet. Ein weiterer Mitarbeiter war Fekko von Ompteda, ein Komponist und Spieler der Unterhaltungsmusik, Pionier des Spiels auf dem Trautonium, dem 1930 von Friedrich Trautwein entwickelten Instrument.

Neue experimentelle Musik war nicht möglich, sie war sogar verboten und wurde von der Nazi-Regierung in allen künstlerischen Bereichen heftig unterdrückt, mit einer Ausnahme: dem Film. Der Film wurde als wichtigste Propagandawaffe für das Regime angesehen und konzipiert, sodass im Film technische Innovationen auch bei Musikinstrumenten sehr willkommen waren. So wurde das Melodium von den Behörden gefördert und von namhaften Filmmusikkomponisten und zumindest eine Zeit lang auch für Theatermusik eingesetzt. Das Melodium wurde auch landesweit im Radio gespielt und von einem der ersten Fernsehsender gezeigt.


The Melodium in der Filmmusik der 1940er Jahre

Das Melodium ist als Soloinstrument in Theo Mackebens Münchner G'schichten zu hören, einem Walzer aus dem Film Bal Paré von 1940 unter der Regie von Karl Ritter. Mackeben, der in Deutschland ein bekannter Komponist von Unterhaltungs- und Filmmusik war, spielte das Instrument zusammen mit dem Sinfonieorchester der Berliner Oper. Die Melodielinie des Stückes wird mit dem Melodium gespielt. Harald und Mackeben entwickelten einen einzigartigen Weg, um die Grenzen der Monophonie mit der damals gegebenen Technik zu überwinden. Noten wurden nacheinander auf verschiedenen Lichttonstreifen auf Film gespielt, bevor sie gleichzeitig wiedergegeben und neu aufgenommen wurden. Dieses Verfahren würden man heute als Mehrspuraufnahme bezeichnen,  zu jener Zeit gab es noch nicht einmal einen Begriff dafür.
Das Melodium spielt mit Orchesterbegleitung in Theo Mackebens Münchner G'schichten (1940).

Ein weiteres Beispiel für den Einsatz des Melodiums stammt aus dem Film Friedemann Bach (1941, Dir. Traugott Müller und Gustaf Gründgens). Es ist eine Adaption eines Originalwerkes [Titel unbekannt] von Wilhelm Friedemann Bach, Sohn von J.S. Bach, arrangiert vom Komponisten Mark Lothar.
Das Melodium ist im Film Friedemann Bach von 1941 prominent vertreten. 
Mark Lothar schrieb Arrangements zu Melodium-Kompositionen von Friedemann Bach. Harald Bode war für die technische und klangliche Bedienung des Instruments verantwortlich. Der oder die eigentlichen Spieler:innen sind unbekannt.

In anderen Spielfilmen wie Veit Harlans Die goldene Stadt (1942), Immensee (1943) und Opfergang (1944) wurde das Melodium eingesetzt, um extreme Gefühle des weiblichen Stars zu illustrieren. In Jud Süß (1940, Regie: Veit Harlan) wurde es vom Komponisten Wolfgang Zeller eingesetzt, um eine unheimliche Atmosphäre für die Szenen zu erzeugen, in denen jüdische Menschen dargestellt wurden. In Carl Froelichs Das Herz der Königin (1940) benutzte Mackeben das Instrument neben der Melodie, um einen viel saubereren Dudelsackklang zu erzeugen, als es ein originaler Dudelsack tun würde.

Harald hatte in seinem Haus ein Melodium für den Eigengebrauch. Das Melodium existierte bis 1946. Es war der Vorgänger des Melochords und wurde höchstwahrscheinlich für dieses neue Instrument ausgeschlachtet.

 

2 Siehe Tom Rheas Artikel »Bode’s Melodium and Melochord«

Eine Hand spielt Harald Bodes Melochord, 1947

Melochord

 

Hersteller:

 Harald Bode

Jahr:

 1947-1953

 

Das Melochord entstand, wie auch das Melodium und die Warbo-Formantorgel, aus Haralds eigener Initiative.3

Das Melochord sollte später als das erste bekannte elektronische Instrument der Nachkriegszeit in Europa anerkannt werden. Nach dem Krieg kündigte Harald seinen Beruf als Entwicklungsingenieur. Nach dem Dienst bei den US-Besatzungstruppen, dem Betreiben einer Radio-Reparaturwerkstatt und dem Sammeln von Metall, um sich und seine Familie zu unterstützen, erfüllte er sich einen Traum. Er folgte seinen Ideen und wurde freiberuflicher Erfinder.

Das Melochord erlaubte mehr Klangfarben als das Melodium. Es hatte eine geteilte Tastatur, sodass zwei Töne mit unterschiedlichen Klangfarben gleichzeitig gespielt werden konnten. Ein Oktavwahlschalter erlaubte unterschiedliche Tonhöhen auf verschiedenen Tasten. Außerdem hatte es Fußschalter. So fand die lange Zeit virulente Idee der Klangfarbenmusik von Timbres und Klangfarben ihre Verwirklichung im Melochord.

Das Melochord spielte Harald selbst für die Unterhaltungsmusik der Zeit und auch für Hörspiele vor allem bei Radio München mit Komponisten, die zuvor in Berlin das Melodium benutzt hatten. Mindestens einmal spielte er aber auch ein Konzert in seinem Wohnort Neubeuern, in den Alpen, südlich von München. In einem lokalen Zeitungsartikel von 1949 erschien ein kurzer Bericht:

»Der hier ansässige Erfinder Harald Bode spielte bei einer Veranstaltung das von ihm geschaffene Musikinstrument Bode Melochord im Zusammenwirken mit der Tanzkapelle Herbert Beckh. Dieses neuartige elektrische Musikinstrument überraschte durch seine Modulationsfähigkeit und kann vielleicht der modernen Tanzmusik neue Wege weisen.«

Harald leistete auch seinen Beitrag zur frühen elektronischen Musikkomposition um 1948. Eine Klang-auf-Klang-Mehrspurkomposition von Harald für den Norddeutschen Rundfunk (NWDR) in Hamburg demonstrierte, was mit dem Melochord möglich war.
Harald Bode spielt das Melochord von 1948 in verschiedenen Musikstilen.

Bereits 1949 hatte Harald eine Sendung mit seinem Instrument im Bayerischen Rundfunk, mit seiner Frau Irmgard als Sprecherin und Fekko von Ompteda als musikalischem Begleiter. In der Sendung spielten sie hauptsächlich bekannte Instrumentalklänge, präsentierten aber auch einige Klangexperimente.

Haralds eigener Umgang mit seinem Instrument war nur der Anfang einer Geschichte, die musikalisch in eine andere Richtung ging. Professor Meyer-Eppler, Physiker am Lehrstuhl für Phonetik und Kommunikation der Universität Bonn, interessierte sich sehr für »elektrische Musik«, wie man damals in Deutschland den Klang mit Elektronik nannte, und bestellte bei Harald ein maßgeschneidertes Melochord. Es diente dazu, Beispiele dafür zu schaffen, was mit elektronischen Mitteln möglich war (manchmal in Verbindung mit einem Vocoder aufgenommen). Meyer-Eppler spielte seine »Beispielstücke« jungen Komponisten vor, um sie zu überzeugen, mit elektronischem Klang zu arbeiten.

1951 gründeten Werner Meyer-Eppler, Herbert Eimert und Robert Beyer beim Kölner Rundfunk (WDR) eine Institution namens Studio für elektronische Musik, die später zum Synonym für das Werk und den Namen von Karlheinz Stockhausen wurde. Die ersten Klänge aus diesem frühen Studio für elektronische Musik, die den staunenden Zuhörern präsentiert wurden, waren Melochord-Klänge von Meyer-Eppler.

Die frische Luft nach der brutalen Unterdrückung neuer ästhetischer Ideen in der Kunst durch das Nazi-Regime in Deutschland und das Ende des Krieges erlaubte und ermutigte junge Komponisten, die Segel zu neuen Horizonten zu setzen, zu den Genres der elektronischen Musik, wie wir sie heute kennen. Haralds Melochord war ein wichtiges Mittel für die ersten Ausflüge in ein unbekanntes Feld, und Harald, bereits in seinen Vierzigern, gehörte zu den frühen Entdeckern.

Insgesamt baute Harald nur eine Handvoll Melochords.

 

3 Siehe Tom Rheas Artikel »Bode’s Melodium and Melochord«.

Harald Bode, Plychord, 1950

Polychord

 

Hersteller:

 Harald Bode

Jahr:

 ca. 1950

 

Eine gute Sache wie das Melochord konnte verbessert oder für andere Zwecke modifiziert werden. Nach dem Erfolg des Melochords, das ein zweistimmiges Instrument war, beschloss Harald, dem Bayerischen Rundfunk München, wo sein Melochord erstmals vorgestellt worden war und noch immer rege genutzt wurde, eine Weiterentwicklung vorzuschlagen. Seine Bedienung erforderte großes Geschick, das Harald oft selbst aufbrachte. Das neue Instrument sollte polyphon sein, viele Töne konnten gleichzeitig gespielt werden, was das Spielen von Akkorden ermöglichte. So war der Name schnell gefunden, das Polychord. Der Bayerische Rundfunk erklärte sich bereit, dieses Instrument in Auftrag zu geben, und so baute er es. Im Laufe des Jahres 1950 wurde das Polychord bei einigen Gelegenheiten von Fekko von Ompteda und einmal von Harald Bode selbst vorgestellt.

Das Polychord war vom Design einer Orgel ähnlich und damit näher an den Anforderungen der meisten Musiker zu dieser Zeit. Es enthielt einige Klangvoreinstellungen, die bestehende Instrumente imitierten, während das Melochord über Regler verfügte, um die Klangparameter frei zu steuern. Es war ein Schritt in Richtung der elektronischen Orgel, die Harald bald entwerfen und auf den Markt bringen würde und die auf die Bedürfnisse und Anforderungen einer größeren Anzahl von Musikern abzielte.

Das Polychord blieb bis 1973 in den Händen des Bayerischen Rundfunks. Es wurde für alles eingesetzt, was im Haus produziert wurde: Spezialeffekte, Musik für Comedy-Shows, Tanzmusik und religiöse Musik. 1973 wurde es an einen privaten Nutzer übergeben und ist heute Teil der Musikinstrumentensammlung im Deutschen Museum von Meisterwerken der Naturwissenschaft und Technik in München.

Harald Bode, Bode Organ, 1953

Elektronische Orgeln - Die Polychord III und die Bode-Orgel

 

Hersteller:

 Harald Bode

Jahr:

 ca. 1950

 

Um 1950 spürte Harald, dass avantgardistische Instrumente wie das Melochord ein sehr begrenztes Marktpotenzial hatten. Er begann nun, Instrumente zu bauen, die eine breitere Akzeptanz, ein breiteres Marktpotenzial zu haben schienen: elektronische Orgeln. Die erste von ihnen teilte den Namen, aber nicht das Prinzip des Polychords und wurde Polychord III genannt.Harald trat in das Apparatewerk Bayern (AWB) ein, ein Unternehmen des bayerischen Staates zur Schaffung von Arbeitsplätzen in der süddeutschen Region, die noch unter den Verwüstungen des Krieges litt. Dieses Instrument war die erste deutsche elektronische Orgel auf dem Markt und wurde auch AWB-Orgel genannt. AWB hatte zwei Märkte im Visier: Kirchen - die neue Instrumente brauchten - und populäre Unterhaltungsmusiker.

Einige dieser Instrumente fanden auch ihren Weg in experimentelle elektronische Studios wie die Technische Universität in West-Berlin, das Experimentelle Rundfunkstudio in Ostdeutschland, das UNESCO Studio Gravesano in der Schweiz und andere. Der Haupteinsatz des Instruments erfolgte in der Unterhaltungsindustrie. Zu dieser Zeit wurden die Namen der elektronischen Orgeln, die bei Aufnahmen verwendet wurden, oft direkt auf die Etiketten der Platten gedruckt, auf denen sie zu hören waren. Hammond, die 1935 die erste bekannte elektronische Orgel auf den Markt brachten, waren Meister darin, dieses Mittel zur Promotion ihrer Instrumente auszunutzen. Aber auch in Deutschland gab es damals auffallend viele Plattenlabels mit dem Namen »Polychord-Orgel«. Wenn im Radio ein Stück gespielt werden sollte, in dem das Instrument vorkam, wurde der Name manchmal auch on air genannt; die Polychord-Orgel war für kurze Zeit tatsächlich ein bekannter Name.

Bei einer Fachmesse für elektrische und elektronische Musikinstrumente im Jahr 1952 fand das Polychord die höchste Akzeptanz aller vorgestellten Geräte. Die ostdeutsche Industrie erwog es in Lizenz zu produzieren. Im elektronischen Studio des DDR-Rundfunks machten moderne Komponisten regen Gebrauch davon. Die Kirchenfunktionäre in Westdeutschland hingegen lehnten elektronische Orgeln komplett ab, sodass es keine Möglichkeit gab, elektronische Orgeln an Kirchen zu verkaufen. Eigentlich wurden sie von den Kirchenvertretern aus Prinzip verboten, weil sie damals mit Modernität konnotiert waren. Ihre Hauptstreitpunkte waren die leichte Spielbarkeit und die Modernität des Designs des Instruments. Elektronische Kirchenorgeln waren für sie »teuflisch«. Diesem Problem begegnete Harald 1953 mit einem eigenen Modell, der Bode-Orgel, obwohl sich das strikte Verbot schon zu lockern begann. Doch die Konkurrenz wurde hart. Hammond engagierte einen Organisten, Gerhard Gregor, der die Polychord- und Bode-Orgel schon seit längerem in mehreren Aufnahmen für den Norddeutschen Rundfunk und auf Schallplatten beworben hatte. Nun wurde er in einer Hamburger Zeitung zitiert: »Bach kann auf einem elektroakustischen Instrument nicht gespielt werden.« Nur die elektro-mechanische Hammond-Orgel sei dazu in der Lage, und so riet er auch den evangelischen Kirchenvertretern. Das war etwa 25 Jahre bevor Wendy Carlos Bach auf einem Moog-Synthesizer spielte und den Moog-Synthesizer zu einem Begriff für originellen elektronischen Klang machte. An diesem Moog-Synthesizer sollte Harald maßgeblich beteiligt sein, doch das ist ein anderes Kapitel.

Harald Bode spielt Cembaphon

Cembaphon

 

Hersteller:

 Harald Bode

Jahr:

 ca. 1951

 

In den Jahren um 1950 war das Cembalo in Deutschland sehr beliebt. Elektrifizierte Versionen von akustischen Saiteninstrumenten wurden immer üblicher, und es lag auf der Hand, dass es Interesse am Bau elektrischer Cembali geben würde. So wurde Harald, der führende Experte auf dem Gebiet der elektroakustischen Instrumente, gebeten, ein solches Instrument zu bauen, was er in Zusammenarbeit mit der Firma Voglgsang auch tat. Es sollte den Namen Cembaphon erhalten.Wie ein traditionelles Tasteninstrument hatte es Saiten, die von einer Tastatur gespielt wurden. Die Schwingungen der Saiten wurden magnetisch abgegriffen, verstärkt und über einen Lautsprecher wiedergegeben. Starke Basstöne konnten damit sehr gut erzeugt werden. Außerdem verfügte es über Filter zur Anhebung oder Absenkung der hohen, tiefen und mittleren Frequenzen und ein elektrisches Vibrato. Diese elektronischen Filter ermöglichten eine große Vielfalt an Klangfarben. Die eigentliche technische Innovation bestand darin, dass Harald einen Weg gefunden hatte, das störende elektrische Brummen zu eliminieren, das bei den magnetischen Tonabnehmern üblich war. Das Cembaphon wurde in einer Fachzeitschrift für Instrumentenbauer vorgestellt und von Tanzmusikern eingesetzt. Wenige Jahre später wurden elektrische Cembali aus Deutschland weltweit zu einem großen Markterfolg.

Harald Bode, Clavioline, 1937

Clavioline, Tuttivox und Combichord

 

Hersteller:

 Harald Bode

Jahr:

 ca. 1953

 

Anfang der 1950er Jahre kamen kleine Tasteninstrumente auf den Markt. Sie konnten unter ein Klavier gestellt werden und begleiteten kleine Tanzbands mit Imitationen von Orgel- und anderen Instrumentalklängen. Später wurden sie von Rock'n'Roll-Bands eingesetzt, die eine breitere Klangvielfalt benötigten. Für den Musiker und Autor Gordon Reid war dieser Instrumententyp mit seiner Fähigkeit, die voreingestellten Instrumenten-Imitationen frei zu mischen, »der Vorläufer der heutigen polyphonen Synthesizer«, die häufig in der Popmusik verwendet werden (Reid 2007). Das erfolgreichste dieser Instrumente war die Clavioline von Raymond Martin. Dieser Erfinder lizenzierte seine Patente an viele Hersteller in ganz Europa. Darunter waren Selmer (London) und Joergensen (Dänemark), mit Produktionsstätten in Deutschland, Dänemark und den Niederlanden.
Bach spielte auf einer Clavioline und einer Bode-Orgel Auszüge unbekannten Spieler:innen aus einem Werbeband von Jörgensen (Düsseldorf) mit dem Titel »6 Claviolinen«, das 1952 zu Werbezwecken produziert wurde. Das Band wurde vom Autor 2009 im Nachlass von Werner Meyer-Eppler entdeckt und von ihm digitalisiert.
Eine choralartige Passage, gespielt von einem Ensemble von Jörgensen Claviolines, zeigt den warmen Klang und das Vibrato des Instruments. Es ist nicht bekannt, ob ein Tuttivox - Harald Bode und René Seybolds mehrstimmige Version der Clavioline - enthalten war. Aus dem Werbeband von Jörgensen (Düsseldorf), »6 Claviolines«.

Harald entwickelte eine Clavioline mit zwei Oktaven mehr als das Original, sodass auch tiefe Bässe gespielt werden konnten. Sie wurde »Concert Clavioline« genannt. In Zusammenarbeit mit dem französischen Instrumentenbauer René Seybold schuf Harald für Jörgensen eine mehrstimmige Version, die Tuttivox. Die Kombination aus Clavioline für die Melodie und Tuttivox für die Akkorde wurde als Combichord vermarktet. In ihrem Katalog nannte Jörgensen die Clavioline »die kleinste Kirchenorgel der Welt«, und sie hatte einigen Erfolg in den Niederlanden. Harald steuerte Details zum Combichord bei und war Berater von Jörgensen-Düsseldorf, während er bereits in den USA lebte.

Harald Bode, Estey Organ, 1958

Estey Model S und Model AS-1

 

Hersteller:

 Harald Bode

Jahr:

 ca. 1958

 

Seit Harald das Melochord und die erste deutsche, für die Massenproduktion geschaffene elektronische Orgel gebaut hatte, war er in Deutschland und weltweit als Experte Nummer eins auf dem Gebiet des Klangs mit Elektronik weithin anerkannt. Seine Forschungen und Arbeiten zu elektronischen Klanginstrumenten wurden in der wissenschaftlichen Literatur der damaligen Zeit vielfach zitiert. Inzwischen verspürte Harald den Wunsch, in die USA zu gehen, wo er breitere Möglichkeiten für seine Arbeit sah. Elisabeth McKay, ehemalige Vizepräsidentin der Firma Hammond, bat ihn, bei der Firma Estey als Leiter der Entwicklung und Produktion von elektronischen Estey-Orgeln einzusteigen. Georg Steinmeyer, der damalige Leiter der Pfeifenorgelabteilung bei Estey, bemerkte kürzlich (Abocab 2009): »They saw the success of Hammond, and thought they could do as good as them, if not better, if they had Harald.« Mit der Hilfe eines professionellen Vertreters wurde der Deal abgeschlossen.

Im Mai 1954 zogen Harald, seine Frau Irmgard und die beiden Söhne Ralf (14) und Peer (2) nach Brattleboro Vermont, wo sie später die amerikanische Staatsbürgerschaft erhielten. In Brattleboro traf Harald 1955 Georg Steinmeyer wieder, der ihn seit 1949 in Deutschland kannte. Hanne Steinmeyer, Georgs Frau und Irmgard Bode wurden gute Freunde und so auch die Männer, obwohl sie in verschiedenen Abteilungen arbeiteten. Die Firma Estey befand sich zu dieser Zeit bereits in einer Krise und hatte den Versuch unternommen, durch eine Kooperation mit der Minshall Electronic Organ Company in den relativ neuen Markt der elektronischen Orgeln einzudringen. Auf dem Markt konkurrierten eine Reihe von Firmen, die elektronische Orgeln herstellten. Hammond, Wurlitzer und Baldwin waren in den 30er- und 40er-Jahren mit den ersten auf elektrischen Prinzipien basierenden Orgeln auf den Plan getreten. Die Baldwin-Orgel war eine Entwicklung von Winston E. Kock, der um 1933 mit Haralds Miterfinder des Melodiums, Oskar Vierling, geforscht und 1940 studiert hatte. Nun brachte Harald seine Entwicklungen und Fähigkeiten mit elektronischen Orgeln zu Estey und arbeitete mit einem jungen Team von Ingenieurstalenten, darunter Leslie Nicholas, zusammen. Dort entwickelten sie die neuen, hochmodernen Estey Electronic Organ Models S und AS1.

Haralds Bestreben nach den einzigartigen Möglichkeiten elektronischer Klänge, die über die Nachahmung akustischer Instrumente hinausgehen, verschwand nicht. In der Zeit der Auflösung von Estey, die schließlich 1960 zur Schließung der Firma führte, entwarf und baute er einen eigenen Audio System Synthesizer.

Der Sound System Synthetizer von Harald Bode

Modularer Synthesizer und Klangprozessor

 

Hersteller:

 Harald Bode

Jahr:

 1961

 

Im Jahr 1959, als er nebenbei für Estey arbeitete, beschloss Harald, eine neue Heimwerkstatt und ein Labor einzurichten. Er wollte etwas Neues finden, ein neuartiges Instrument. Die Idee war, viele Geräte in einem Instrument zu kombinieren, um neue elektronische Klänge zu erzeugen. Er strebte spezielle Klänge an, die für verschiedene Zwecke verwendet werden sollten, unter anderem für Soundtracks für Filme. Und am wichtigsten war im das Entwerfen eines Insturments, mit dem er dies selbst tun konnte. Nur wenige Jahre zuvor hatten Louis und Bebe Barron in den USA den Soundtrack für den Film Forbidden Planet komplett mit elektronischen Klängen gemacht, während Oskar Sala und Remy Gassmann das Trautonium für Alfred Hitchcocks Die Vögel verwendeten. Harald entwarf und baute ein Instrument, das alles enthielt, was für die elektronische Klangerzeugung benötigt wurde.

Der Audio-System-Synthesizer hatte Eingänge für Klangquellen aller Art, diese Signale konnten durch mehrere Filter und einen Ringmodulator modifiziert werden. Das neue Prinzip, Instrumente mit Eingängen für vorgegebene Klangquellen zu schaffen, die dann zu etwas Neuem modifiziert werden konnten, blieb ihm von diesem Zeitpunkt an erhalten. Der Bode-Frequency-Shifter und der Vocoder, die später folgten, sollten diesem Prinzip folgen. Die ursprüngliche Version seines Synthesizers enthielt eine Nachhall-Einheit und eine Bandmaschine, um den erzeugten Klang aufzuzeichnen, um Sound-on-Sound-Aufnahmen zu machen oder Multi-Tracking.

Das System war modular aufgebaut, sodass es unabhängig voneinander arbeitende Geräte zur Klangveränderung enthielt, die miteinander kombiniert werden konnten. »A combination of well-known devices enabled the creation of new sounds«, wie Harald es selbst in einem Satz formulierte (Bode 1961). Das alles befand sich in einem Kasten, sogar mit einem Griff, um ihn in die Aufnahmestudios zu tragen.

Am 11. Oktober 1960 präsentierte Harald seinen Audio-System-Synthesizer auf dem Kongress der Audio Engineering Society (AES) in New York, dem Treffpunkt für alle, die sich mit Elektroakustik beschäftigten. Robert Moog war anwesend und ließ sich von Haralds Konzept des modularen Tonstudios inspirieren. Dies führte zur Entwicklung des berühmten Moog-Synthesizers. Harald sagte später, dass er Robert Moog dort zum ersten Mal traf, damals ein junger Mann, der Bausätze für das Theremin (produziert 1917), das erste elektronische Instrument, das in Serie produziert wurde, herstellte und verkaufte. Im Dezember 1961 veröffentlichte das vielgelesene Electronics Magazine einen Artikel von Harald über seinen Sound-Synthesizer, das erste bekannte Instrument seiner Art. Haralds und Roberts Zusammenarbeit sollte jedoch erst 1966 beginnen.

Harald Bode, Bode Ring Modulator, 1964

Bode-Ringmodulator

 

Hersteller:

 Harald Bode

Jahr:

 1961

 

Der Ringmodulator war ein weit verbreitetes Gerät in der elektronischen Technik. Er wurde geschaffen, um zwei Spannungen zu einer konstanten Spannung mischen zu können. Zum Beispiel wurde er während des Zweiten Weltkriegs zur Steuerung des Flugs von Raketen verwendet, weil er eine stabile Spannung lieferte. Bald entdeckte man sie auch als Mittel zur Modifikation von Tönen. Als Harald sein Melochord für Professor Meyer-Eppler in Bonn schuf, wurde er gebeten, einen Ringmodulator einzubauen. So lernte Harald nach seinen eigenen Worten die Ringmodulatoren kennen, die damals in den USA noch relativ unbekannt waren. Ein Ringmodulator war eines der Module in Haralds Audio-System-Synthesizer von 1960, der den Grundstein für die später von Robert Moog entwickelten Modular-Synthesizer legen sollte. 1966 lizenzierte Harald zwei Versionen des Bode-Ringmodulators an die R.A. Moog Co.

Harald Bode, Frequency Shifter 1630, 1964

Bode-Klangumwandler 

 

Hersteller:

 Harald Bode

Jahr:

 1965

 

1962 beauftragte der zeitgenössische Komponist und Professor Vladimir Ussachevsky Harald mit der Entwicklung eines Ringmodulators und 1963 eines Klangumwandlers [Frequency Shifter] für das Columbia-Princeton Electronic Music Center in New York. Ussachevsky hatte dieses Instrument während einer Reise zum Besuch europäischer Studios entdeckt und es 1958 der AES vorgestellt. Einige Jahre zuvor hatte Harald an der Entwicklung eines solchen Gerätes für die Kölner Studios mitgewirkt. Der Klangumwandler [Frequency Shifter] war in der Lage, die Obertöne und die Charakteristik eines Klanges so zu verändern, dass völlig neue Klänge entstanden. Das akustische Grundprinzip des Instruments besteht darin, dass harmonische Obertöne in nichtharmonische umgewandelt werden. Harald beschloss, das technische Prinzip und die Technik dieses Instruments komplett zu ändern, um einen viel breiteren Bereich von Frequenzen zu erhalten, die verändert werden konnten, was natürlich grundsätzlich reichere Klänge erzeugte und mehr Möglichkeiten zur Erzeugung neuer Klänge zuließ. Im Jahr 1965 präsentierte Harald einen Vortrag über seinen Klangumwandler [Frequency Shifter]  auf der Acoustic Society Engineers Convention. Das Colombia-Princeton Electronic Music Center setzte in der Folgezeit zahlreiche Bode-Ring-Modulatoren und Klangumwandler [Frequency Shifter]  intensiv ein. 1966 lizenzierte Harald den Bode Klangumwandler [Frequency Shifter] an die R.A. Moog Co.

Die ersten Klangumwandler  [Frequency Shifter] hatten aufgrund der damals gegebenen Technologie Einschränkungen. Im Jahr 1972 präsentierten Harald und Robert Moog auf der AES einen hochmodernen »High Accuracy Frequency Shifter«, der diese Einschränkungen überwand. Bis in die 1980er Jahre baute Harald verschiedene Variationen des Instruments und ließ einige neue Ideen in die Klangumwandler-Technologien einfließen. Die Instrumente erfreuten sich großer Beliebtheit in vielen Bereichen des musikalischen Schaffens: Als der Oscar-prämierte Hollywood-Komponist Hans Zimmer (Der König der Löwen) seinen Moog Modular durch neue Synthesizer ersetzte, behielt er seinen Bode-Frequency-Shifter (AMS [Datum unbekannt]). Und für etliche Jahre war es auch Haralds eigenes Lieblingswerkzeug, mit dem er in seinem eigenen Heimstudio experimentierte und komponierte.5
Die Musik, die mit dem Bode-Klangumwandler  [Frequency Shifter]  gemacht wurde, reicht von der klassischen Avantgarde von Vlademir Ussachewsky und Wendy Carlos bis zum Elektro-Pop von Kraftwerk. Die Bode-Ringmodulatoren (1962) wurden auch in großen akademischen und professionellen Musikstudios eingesetzt, darunter in denen von Joel Chadabe, Paul Bley und den Motown Studios.

Mit dem Bode-Klangumwandler [Frequency Shifter] konnte man nicht nur den Klang akustischer Instrumente verändern, sondern auch neue elektronische Klangfarben erzeugen, wie diese Serie von Ausschnitten zeigt.

Bode-Klangumwandler [Frequency Shifter] sind bis heute als Hardware-Klone der Originale sehr begehrt und wurden oft von Software emuliert. Der Bode-Klangumwandler [Frequency Shifter] ist zu einer Legende geworden, zu einem Synonym für diese Art von Instrumenten.

 

5 Ein Überblick über »The Compositions of Harald Bode« wurde in der Ausgabe von eContact! 13.4. veröffentlicht 

Harald Bode, Bode Vocoder 7702, 1977

Bode-Vocoder

 

Hersteller:

 Harald Bode

Jahr:

 1977

 

1974 schied Harald nach zehn Jahren aus seiner Tätigkeit als Ingenieur bei Bell Aerospace aus. 1972 hatte er seine eigene Bode Sound Company als Ein-Mann-Unternehmen gegründet. Nun war es für ihn an der Zeit, sich wirklich auf elektronischen Sound zu konzentrieren. Er arbeitete an verschiedenen neuen Modellen des Klangumwandlers [Frequency Shifters] und an einem Gerät zur Eliminierung des Rückkopplungsheulens bei Live-Auftritten, komponierte seine eigene Musik und dachte daran, einen Traum zu verwirklichen, den er seit 1949 geplant hatte: einen eigenen Vocoder zu bauen.

Ein Vocoder teilt die Frequenzbänder des »Eingangssignals« (z. B. die menschliche Stimme) auf und mischt sie mit einem »Trägersignal« für die Dynamik, die Tonhöhe und das Timbre. Auf diese Weise kann aus einer Stimme ein Chor erzeugen erzeugt werden, oder der Klang einer Stimme kann verändert werden, indem sie z. B. in einen singenden Zug, ein Auto oder eine Glocke verwandelt wird. Auch die Komponenten der Stimme können herausfiltert oder verstärkt werden, um die Eingabe so zu bearbeiten, dass eine normale Stimme in eine Roboterstimme oder eine Bassstimme in eine Sopranstimme verwandelt wird. Natürlich kann auch jedes andere akustische Signal als »Eingang« oder »Träger« verwenden.

Ursprünglich wurden Vocoder erfunden, um Sprache zu kodieren, um Bandbreite in Telefonleitungen zu sparen, und später zur Kodierung von Gesprächen für militärische Zwecke verwendet. Als Harald 1949 das Melochord für Meyer-Eppler in Bonn baute, lernte er den Vocoder als eine mögliche Quelle von Musikalität kennen. Meyer-Eppler benutzte das Melochord als Träger für die ersten bekannten ernsthaften und veröffentlichten Experimente mit dem Vocoder als musikalisches Gerät in Deutschland. Seit 1949 hatte Harald in seinen Notizbüchern musikalische und technische Ideen für den Vocoder skizziert.6
1976, als Vocoder in der Musikszene Einzug hielten und die Technologie verfügbar und kostengünstig war, beschloss er, seinen eigenen zu bauen, den sogenannten Bode-Vocoder.

Haralds Vocoder hatte ungewöhnliche Eigenschaften. Er hatte die Fähigkeit, höhere Frequenzen zu umgehen, wie sie in Konsonanten vorkommen, die für den eigentlichen musikalischen Klang der Stimme nicht unbedingt relevant sind, aber das vocodierte Signal beeinflussen und Bandbreite beanspruchen. Diese umgangenen Frequenzen konnten dem vokodierten Signal beigemischt werden.Der Bode-Vocoder wurde auch unter dem Namen Moog-Vocoder lizenziert. Ab 1978 wurde der Bode-Vocoder unter dem Namen Moog parallel zu Haralds eigener Marke vermarktet. Haralds Bode-Vocoder (1977) und dann der Moog-Vocoder (1978) waren ein besonderer Erfolg und zeichneten sich durch ihren einzigartigen Klang aus. Er findet sich auf den Hit-Platten der Ära wieder, darunter der Mega-Hit »Funkytown« von Lipps Inc. aus dem Jahr 1979. Zu den vielen Künstler:innen, die das Instrument kauften, gehörte der Musiker und Produzent Michael Boddicker, später Keyboarder und Vocoder-Operator bei Michael Jacksons »Thriller«, Lionel Richies »Can't Stop« und anderen. Auch Videokünstler:innen wie Gary Hill, Steina und Woody Vasulka setzten Bode-Vocoder in ihrer Arbeit ein.

Die renommierte Komponistin Suzanne Ciani, Schöpferin von Sound für Werbespots und später ihrer eigenen meditativen Musik, benutzte sie bei Aufnahmen für ihre eigene Arbeit sowie für ihre Arbeit an der "Disco"-Version des Star Wars-Soundtracks, der von Meco aufgenommen wurde, und um Soundeffekte, Musik und Stimmen für ein Flipperspiel, Xenon, zu erstellen. Ihre »Voice Box«, ein Rack mit mehreren Geräten rund um den Bode-Vocoder, wurde im August 1980 in der Late-Night-Show von David Letterman vorgeführt, wobei sie Davids Stimme mit Haralds Vocoder vertonte. In einem Interview 1985 sagte sie: »I just love [the Bode Vocoder]« (Doershuk 1985). Die Herstellung und der Erfolg des Instruments machten Harald sehr glücklich. Um 1984 herum plante er, mit Ciani eine weitere Version des Vocoders zu machen. Es sollte ein Matt-Vocoder sein, um eine Originalstimme durch eine andere Stimme zu ersetzen (Ebd.), aber Haralds Gesundheitszustand ließ die Fertigstellung dieses Instruments nicht zu. Die heutige Carrier Band mit Haralds Sohn Peer, Andrew Deutsch, Pauline Oliveros, Stephen Vitiello und vielen Gastmusikern nutzt den Bode-Vocoder als zentrale Quelle für ihre Musik und setzt ihn ein, um die Schriften und Originalklänge von Harald aufzuführen.

 

6 Ein Artikel mit vielen Scans der »Harald Bode’s Notebooks«, vorgestellt und kommentiert von Rebekkah Palov, erschienen in eContact! 13.4.

Harald Bode, Bode Barbepole Phaser 8101, 1981

Barberpole-Phaser

 

Hersteller:

 Harald Bode

Jahr:

 1981

 

Der Barberpole-Phaser basiert auf den psychoakustischen Prinzipien der Shepard-Skala und des Shepard-Risset-Glissandos, die in den 1960er Jahren entdeckt wurden. Ein Ton oder Klang, der dem Barberpole-Phaser zugeführt wird, hat scheinbar ein ewiges Glissando nach oben oder unten, solange der Ton gespielt wird.

Harald beschloss, ein Gerät zu entwickeln, das diesen Effekt bietet und daneben noch einige nützliche Filter wie ein Fuzz. Er nannte es Barberpole-Phaser wegen der akustischen Ähnlichkeit mit der Optik eines Barbierstabes vor einem Friseursalon. Das Instrument arbeitet mit Kammfilterspitzen. Harald ließ sich den Begriff Barberpole-Phaser markenrechtlich schützen. Es wurden weniger als eine Handvoll Barberpole-Phaser gebaut. Das Instrument wurde 1981 fertiggestellt, zu Beginn des Zeitalters der Personal Computer [PC]. Die damaligen Beschränkungen des Speichers und der Verarbeitungsgeschwindigkeit machten es unmöglich, eine hohe Klangqualität auf dem Computer zu erreichen, ohne dass es zum Knistern durch die unendliche Phasierung kam.

Harald unternahm später einen Versuch, das Prinzip auf einem Commodore-Personalcomputer zu emulieren, der aber nie der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Wenn eine Bassgitarre damit modifizierte wurde ein interessanter Klang erzeugt werden.

Der Barberpole-Phaser sollte Haralds letztes fertiggestelltes Instrument werden.

ZKM | Karlsruhe
Wissen – Sammlung, Archive und Forschung

Lorenzstraße 19
76135 Karlsruhe ​
Deutschland

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