Ulrike Heine: Die Kultivierung geistiger Werte verbunden mit dem Begriff des Schönen
Der Kunstbegriff in der öffentlichen Diskussion in Russland
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Beschreibung
Der Kunstbegriff in der öffentlichen Diskussion in Russland (ab 1998) Betrachtet man den Kunstbegriff als gesellschaftliche Aushandlungskategorie im Sinne der konstruktivistisch orientierten Kunstsoziologie (u.a. Hans Dieter Huber), so hat der Begriff „Kunst“ keinen ontologischen Kern, sondern wird in Gemeinschaften und Gesellschaften immer wieder neu verhandelt. Besonders deutlich wird der Aushandlungscharakter des Begriffs in sogenannten „Transformationsgesellschaften“, d.h. Gesellschaften in politischen oder ökonomischen Umbruchphasen. Mit den Umbrüchen geht eine Neu-Verhandlung von kollektiven Normen und Werten einher. Die zeitgenössische Kunstproduktion ist dabei ein Bereich, in dem sich diese Verhandlungen nicht nur spiegeln: vielmehr unterliegt die Diskussion hier weniger Restriktionen, ist spielerischer und explorativer, zugleich aber auch immer in der Gefahr der Radikalisierung oder Indienstnahme durch die Akteure, die die Transformation im politischen und im ökonomischen Feld gestalten.
Auch die russische Kunstwelt ist seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion eine Arena, in der sich gesamtgesellschaftliche Prozesse spiegeln, alte und neue Ordnungen miteinander in Konkurrenz treten. Anhand der Rezeption der Künstlergruppe Blue Noses (seit 1999), die ich im Rahmen meiner Magisterarbeit „Die Künstlergruppe Blue Noses in Russland. Bedeutungsproduktion in zeitgenössischen Kunstdiskursen“ (Universität Leipzig, 2009) untersucht habe, konnte ich zeigen, dass der Kunst-Begriff diskursiver Knotenpunkt und neuralgisches Schlagwort für die russische bzw. postsowjetische Öffentlichkeit ist. Folgt man den Diskussionslinien und Definitionsversuchen diskursanalytisch, lassen sich allgemeine Meinungslagen und Akteurspositionen für die russische Situation abbilden.
Auszug aus einem Gutachten, angefertigt von Natal’ja Timurovna Eneevaja im Zuge des Gerichtsverfahrens gegen den Organisator und den Kurator der Ausstellung „Verbotene Kunst 2006“, die im März 2007 im Museum A.D. Sacharov gezeigt wurde.
Ulrike Heine, M.A. studierte Kunstgeschichte, Kulturwissenschaften und Russistik in Leipzig, St. Petersburg und Moskau. Seit Mai 2010 ist sie Promotionsstipendiatin des DFG-Graduiertenkollegs „Transnationale Medienereignisse von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart“ an der Justus-Liebig-Universität in Gießen.