Für eine Kultur der Nachhaltigkeit
»We can’t solve a crisis without treating it as a crisis« postete Klimaaktivistin Greta Thunberg unlängst auf ihrem Instagram-Account, um zu Solidarität in Zeiten von Corona aufzurufen.
VON ALEXA KNAPP
Im gleichen Atemzug weist sie darauf hin, dass eine solche Aufmerksamkeit, wie sie derzeit der Corona-Krise widerfährt, auch der Klimakrise zukommen sollte. Jene zentrale Herausforderung für die globale Gesellschaft wird zur Zeit von der Berichterstattung über das Corona-Virus komplett überlagert. Die Corona-Pandemie zeigt jedoch, dass die Gesellschaft in akuter Not zu Verzicht, Mäßigung und radikalen Einschränkungen in der Lage ist. Sie zeugt von Verhaltensweisen und staatliche Anordnungen, die Mut machen für den Kampf gegen die Klimakrise: Denn genau solche Tugenden wie Mäßigung, Verzicht, aber auch Solidarität und Kooperation werden auch im Kampf gegen die ökologische Krise gebraucht.
Nachhaltige Entwicklung stellt in diesem Zusammenhang eine der großen Aufgaben der Zeit dar, die längst nicht mehr auf ein Umweltprogramm reduziert werden kann. Vielmehr ist sie zu einer existenziellen Frage geworden, die alle betrifft.
Kultur als Architektin des Wandels
Gerade der Kultursektor ist aufgefordert – über den kulturbetrieblichen Tellerrand hinaus – seinen Beitrag zu leisten. Welche Bedeutung die Kultur im Hinblick auf eine nachhaltige Entwicklung hat, und dass sie mehr zur Debatte beizutragen hat als im Rahmenprogramm von Klimakonferenzen für Unterhaltung zu sorgen, ist in den letzten Jahren verstärkt in den Vordergrund gerückt. Dass sie in die Förderung nachhaltiger Entwicklung integriert werden muss, erscheint unerlässlich. Denn technologisch-naturwissenschaftliche Lösungsansätze können niemals ausreichen, um eine Transformation voranzutreiben und umzusetzen, die letztlich in der Gesellschaft ankommen und gelebt werden muss. Ohne einen grundlegenden Wandel unserer Lebens- und Wirtschaftsweisen kann dieser Herausforderung nicht nachhaltig entgegengetreten werden.
Die Kultur verfügt über das Potenzial, alte Denkmuster aufzubrechen und über kulturpolitische Debatten, Veranstaltungen, Ausstellungen und Aktionen neue Impulse zu setzen. Neben all den Daten und Fakten vermag sie auf eine bewegende Weise zu sensibilisieren und so AdressatInnen anzusprechen, die bislang nicht erreicht wurden.
Das ZKM und Nachhaltigkeit
Mit Ausstellungen wie »Reset Modernity«, »Armin Linke. The Appearance of That Which Cannot be Seen« oder dem multimedialen Opernprojekt »Amazonas«, das sich mit der Zerstörung des weltgrößten Regenwaldgebiets auseinandersetzte, sensibilisierte das ZKM seine BesucherInnen bereits früh für Themen wie Klimawandel sowie Technologie und Nachhaltigkeit. Ab Mai 2020 verbindet das ZKM bei dem Ausstellungsprojekt »CRITICAL ZONES. Horizonte einer neuen Erdpolitik« Kultur, Kunst und Wissenschaft mit zahlreichen, seit Jahren aktiven zivilgesellschaftlichen Umweltorganisationen und lädt die BesucherInnen dazu ein, die Erde aus einer neuen Perspektive zu betrachten.
Mit dem Fokus auf Nachhaltigkeit in seinem Magazin widmet das ZKM dem Thema eine weitere Plattform, die sich der Sache gesellschaftspolitisch nähert, aktuelle Entwicklungen im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit beleuchtet und kontextualisiert.
Zum Begriff der Nachhaltigkeit
Der Begriff der »Nachhaltigkeit« wurde erstmalig durch Carl von Carlowitz (1645–1714) geprägt. Dem Freiberger Oberberghauptmann zufolge sollten in einem Wald immer nur so viele Bäume gefällt werden, wie sie auf natürliche Weise binnen gewisser Zeit wieder nachwuchsen. Mit der »nachhaltigen« Bewirtschaftung des Waldes sollte also sichergestellt werden, dass das natürliche System des Waldes in seinen wesentlichen Eigenschaften dauerhaft erhalten bleiben kann. Auch wenn sich seine Überlegungen auf die Ressourcenökonomie in der Forstwirtschaft beschränkten, gilt er als Vater des nachhaltigen Denkens.
Die heute am weitesten verbreitete und anerkannte Definition der »Nachhaltigkeit« hat ihren Ursprung im sogenannten Brundtland-Bericht von 1987, der das bislang vorherrschende Verständnis der Nachhaltigkeit um den Aspekt der globalen räumlichen wie zeitlichen Gerechtigkeit erweiterte. Mit dem Brundtland-Bericht wurde weltweit der Diskurs über Nachhaltige Entwicklung angestoßen. Ziel war es, eine gerechtere Verteilung von Wachstum und Wohlstand zwischen Nord und Süd anzustreben.