Monets Seerosen im Aquarium
Pierre Huyghes »Nymphéas Transplant« als Beispiel für das Zurücksetzen der Moderne.
VON JANA BERNHARDT
Pierre Huyghe inszeniert Monets Seerosen in einer neuen Ästhetik und sorgt dadurch für einen Reset unserer gewohnten Seherfahrung: Mit »Nymphéas Transplant« setzt er unseren Blick auf die Moderne zurück.
Am Anfang war Monet – zumindest am Anfang des Impressionismus. Als Claude Monet 1872 »Impression, soleil levant« malte, legte er damit den Grundstein für eine neue Weltanschauung. Aus dem Titel des Werkes entwickelte sich nicht nur die Bezeichnung der Vertreter dieser Stilrichtung, der Impressionisten, sondern mit ihnen auch eine der ersten Kunstströmungen, die wir heute zur Moderne zählen und die damals zeitweise als Synonym für moderne Kunst galt.
Monets impressionistischer Blick
Monet ist vor allem für die Ansichten seines Gartens in Giverny bekannt, die diesen zu jeder Jahreszeit zeigen. Die abgebildete Seerosen-Studie oder die Version der japanischen Brücke sind nur zwei seiner Motive, die er mit tosenden Farben und starken Pinselstrichen inszenierte. Immer wieder bildete er seine schillernden Eindrücke ab und verewigte mit seiner Malerei die Schönheit der Natur.
In der Ausstellung »Reset Modernity!«, die das ZKM vom 16. April bis 21. August 2016 präsentierte, räumt die Arbeit von Pierre Huyghe Monet Raum ein. Mit »Nympheas Transplant« transferiert er, im wahrsten Sinne des Wortes, ein Fragment impressionistischer Inspiration in den musealen Raum. Das, was einem in Pierre Huyghes Biotop begegnet, hat jedoch kaum etwas mit Monets bunter Farbwelt zu tun: Das Wasser ist undurchsichtig und oszilliert, anstatt in klaren Tönen, nur in verschiedenen Nuancen von Braun und Grün. Behäbig schwimmen einzelne Fische und Axolotl zwischen den Wurzeln der Seerosenblätter umher. Die Ästhetik, die wir aus der impressionistischen Malerei kennen, scheint vollkommen abwesend.
Das Zurücksetzen des Blicks
Wie ein Reset der Blickerfahrung wirkt in diesem Zusammenhang auch die zeitweise Trübung des Aquarienglases. Eine Irritation, die vage an die Unklarheiten des Pinselduktus erinnert, die dem Betrachter bei Monets Bildern nur gewahr werden, tritt er nah an das Gemälde heran.
Wie eine Verkörperung der Zeitlichkeit variiert die Belichtung des Wasserquaders und fasst das, was Monet zu jeder Jahreszeit malte, in einem Ausstellungstag zusammen. Monets Darstellungsspektrum begegnet uns auf wenige Stunden reduziert – und auf eine konzeptuelle Ebene heruntergebrochen.
Das Biotop wird zur Kunst erhoben und das assoziierte impressionistische Gedankengut rückt in den Hintergrund. Pierre Huyghe lehnt sich mit dem Titel direkt an Monets Nympheas an und führt uns im Aquarium die Flora und Fauna aus dessen berühmten Garten vor. Er transplantiert, wie der Titel schon sagt, die Nympheas zum einen in den musealen Raum, aber zum anderen auch in die zeitgenössische Kunst und setzt mit der gegenläufigen Ästhetik die Betrachtererwartungen zurück.
Über die Autorin
Jana Bernhardt studiert Kunstgeschichte und Germanistik in Münster. Über den Sommer 2016 war sie im Bereich Marketing für das ZKM tätig und nicht nur von der Ästhetik der Installation angetan, sondern auch von ihren kleinen Bewohnern.
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