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Materialisierte Bilder

Wenn man sich auf Tumblr durch sein Dashboard scrollt, weiß man nie, wann etwas Kunst ist und wann nicht.
© Tabita Rezaire, Foto © ZKM | Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe, Foto: Felix Grünschloß
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Digitale Kunst wird materialisiert – die freie Fotografin und Autorin Anni Kohout setzt sich auf ihrem Blog sofrischsogut.com mit Werken der Ausstellung »Hybrid Layers« auseinander, die bis zum 07.01.2018 bei uns im ZKM zu sehen ist.

VON ANNI KOHOUT

Wenn man sich auf Tumblr durch sein Dashboard scrollt, weiß man nie, wann etwas Kunst ist und wann nicht. Man weiß nie, ob dieses Bild, das da in der Timeline auftaucht, ein in den Weiten des Internets von irgendeinem schrägen User aufgespürtes Werbebild für eine Prothese aus Japan ist, oder nicht doch das Werk eines Künstlers, der sich mit humanoider Ästhetik auseinandersetzt. Man weiß nie, ob ein Produzent oder ein Konsument hinter dem Posting steckt. Man weiß nie, ob das Bild selbstgefunden, selbstgemacht oder einfach nur weiterverbreitet wurde. Man weiß nie, ob es Original, Kopie oder eine Spielart von Readymade ist.

Und all das spielt auch überhaupt keine Rolle. Denn die Bilder auf Tumblr sollen ihre Betrachter nicht kunsthistorisch oder kennerschaftlich, sondern ästhetisch und emotional herausfordern. Und das unmittelbar. Denn sonst wird ein entsprechendes Bild beim Scrollen einfach nicht wahrgenommen. Und das ist – entgegen dem ständigen Beschwören einer Bilderflut – überhaupt keine Naturkatastrophe, sondern ein natürlicher und hilfreicher Wahrnehmungsmechanismus, möglicherweise aber sogar eine produktive Herausforderung für Künstler, die testen können, wie sich ihre Arbeiten an so einem Ort bewähren.

Digitale Welt zurück in die analoge

Im Ausstellungsraum, im White Cube und unter wenigen und sorgfältig ausgewählten Arbeiten, kommt eine solche Bildbetrachtung natürlich nicht zustande. Zumal es im Kunstraum (und wenn es plötzlich um Werke geht, die man unter dem Label »Post-Internet« fasst) nur noch wenige Bilder gibt, die einfach an der Wand hängen, ohne installativen Schnickschnack drumherum.

So auch in der Ausstellung »Hybrid Layers« im ZKM, die sich mit künstlerischen Positionen beschäftigt, bei denen die digitale Welt zurück in die analoge überführt werden soll. »Versucht«, weil ein Gelingen keinesfalls vorprogrammiert ist und »zurück«, weil – wie im Begleitheft zur Ausstellung formuliert – »der Fokus der Medienkunst lange Zeit auf der Überführung der analogen Welt in die Digitalität lag«, bevor Künstler begannen, sich der Rücküberführung zu widmen. Zwischenzeitlich hat sich jedoch vieles entwickelt, vor allem ästhetisch, das nicht aus einer Übersetzungsleistung heraus entstanden, sondern als rein digital einzuordnen ist.

Humorvoll, klug und elegant

Für viele Künstler und Künstlerinnen der Ausstellung ist die Frage nach der Übersetzung des Digitalen in das Analoge allen voran eine Frage nach der Materialität. Sie spielt insbesondere dann eine entscheidende Rolle, wenn die referierte Ästhetik niemals materiell war, sondern rein digital entstanden oder sogar gedacht worden ist. Zum Beispiel diverse digitale Muster oder Collagen.

Und es erweist sich als sehr humorvoll, klug und auch elegant, wenn eine solche Digitalästhetik von der deutschen Künstlerin Delia Jürgens in Konstellationen verschiedener Gegenstände übersetzt wird. Und zwar solcher Gegenstände, die man zunächst überhaupt nicht mit dem Digitalen in Verbindung bringt: Baustoffe, Murmeln oder ein Schlafsack. Dass es der Künstlerin tatsächlich gelingt, mit derartigen Gegenständen einen Schmuddel-Look zu umgehen, der sonst vielen Objet Trouvés innewohnt, ist beachtlich. Vielmehr erschafft sie klare, cleane, spiegelnde, transparente, vielschichtige Ensembles, die bezeugen, dass »digital« auch einen Stil bezeichnen kann.

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Die im ZKM ausgestellte Installation von Jürgens heißt »We thought they are Windows, but actually they are Mirrors«, und man müsste eigentlich ergänzen »but at the end they are windows.« Denn dass hier so könnerschaftlich der Blick auf die verwendeten Gegenstände, ihre originäre Daseinsform, ihre Funktionen, Kontexte und sogar ihr Aussehen verstellt wird, ermöglicht doch eine ganz neue Perspektive, und ist – sosehr die Täuschung erst einen Spiegeleffekt vermuten lässt – ein Fensterblick in die Gegenwart.

Potential neuer künstlerischer Medien

Während Delia Jürgens Bilder materialisiert, die zuvor noch kein assoziiertes Material besaßen und somit erstmals als Objekte auftreten – ihr Original ist digital –, repräsentieren die Bildvorlagen der niederländischen Künstlerin Rachel de Joode klassische Materialien der bildenden Kunst. Indem sie die Bilder von Ton und Haut auf neue und sehr eigene Bildträger transportiert (die zwar zweidimensional sind, dem Betrachter jedoch dreidimensional erscheinen), verleiht sie ihnen eine ganz neue Form und deutet das Potential neuer künstlerischer Medien bereits an, das in der benachbarten Arbeit von Aleksandra Domanović schließlich ganz zum Thema wird.

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© ZKM | Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe, Foto: Jonas Zilius
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Ihre Installation besteht aus großen bedruckten durchsichtigen Folien, die von der Decke hängen. Auf ihnen sind Skelette, Beckenknochen, Drucker und 3D-Scanner abgebildet. Letzterer ist auch das Medium, mit dem die Ursprungsbilder entstanden sind. Auch hier wurde zunächst etwas Analoges (Skelette etc.) ins Digitale übertragen (mithilfe eines 3D-Scanners) und schließlich wieder in den analogen Raum überführt, indem die 3D-Modelle auf die transparenten Folien gedruckt wurden. Und auch hier geht es darum, Bildern eine Haptik zu verleihen. Das funktioniert nicht zuletzt deshalb sehr gut, weil die Skelette transparente Trenchcoats tragen (Zhoras ikonischen Plastikmantel aus dem Film »Blade Runner«) und damit als einziges Bildmotiv mit genau dem Material umgesetzt sind, das ihnen auch sonst eigen ist.

Sorge vor den Folgen neuer Medien

Neben »Blade Runner« ist noch eine andere Referenz wichtig für die Installation von Domanović: Die früheste bekannte Abbildung einer Druckerei und Buchhandlung, und zwar auf einem 1499 entstandenen Holzschnitt von Matthias Huss. Darauf zieht ein Totentanz durch die Druckerei – eine symbolische Darstellung der Sorge vor den Folgen der damals neuen Medien. Wie auch heute gegenüber dem Internet und der digitalen Kultur beklagte man während der Erfindung des Buchdrucks den Gedächtnisverlust, der mit Büchern einhergehe.

Aber Aleksandra Domanović belässt es nicht bei dieser Lesart, sondern kommentiert sie in der Art der Darstellung und in motivischen Details ironisch. Insgesamt zeugt die Arbeit, wie vieles der Post-Internet-Art, von einer gelassenen, kulturoptimistischen Haltung gegenüber neuen Medien. Umso mehr fehlen derartige Positionen – nur nebenbei bemerkt – in einer Ausstellung wie »Luther und die Avantgarde«, die zur gleichen Zeit in Wittenberg, Berlin und Kassel läuft und in der sich unterschiedliche Künstler und Künstlerinnen mit dem Buchdruck auseinandersetzen, dabei jedoch fast immer nur zu kulturpessimistischen Darstellungen gelangen.

Kuratoren unter heftiger Kritik

An diesen drei von insgesamt 22 sehr sorgfältig inszenierten Arbeiten, die unterschiedliche Positionen darstellen und allesamt eigene Themen bespielen, wird bereits deutlich, dass die Ausstellung wirklich gut kuratiert ist. Und das hat umso mehr Gewicht, als Kuratoren sonst gerade allerorts unter zum Teil heftiger Kritik stehen. »Schafft die Kuratoren ab!« ist das Resümee eines kürzlich in der ZEIT erschienen Artikels von Stefan Heidenreich, der daraufhin noch auf seinem privaten Facebook-Account erhitzt und ausführlich diskutiert wurde.

Dort kamen interessante Ansprüche an Kuratoren zum Vorschein: »I would say against Academic Curating. Harald Szeemann never went to curating school«; »Eine Kuratorin ist/sollte immer auch eine Vermittlerin sein«; Kuratoren sollen »Kunst demokratisch inszenieren«, Kuratoren dürfen nicht zu »individuell« sein. Zugleich wird suggeriert, diese Ansprüche fänden nirgendwo eine Erfüllung. Anders in der Ausstellung im ZKM: Die vier Kuratoren von »Hybrid Layers« – Giulia Bini, Sabiha Keyif, Daria Mille und Philipp Ziegler – schaffen es tatsächlich, ihnen gerecht zu werden. Und das, obwohl diese durchaus widersprüchlich sind. Ja, sie machen vorbildliche Arbeit, nicht zuletzt, weil sie (das übrigens auch eine Forderung von Heidenreich) kollektiv kuratiert haben.

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© ZKM | Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe, Foto: Jonas Zilius
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So ist eine gut ausgewählte, sehr aktuelle (Themen wie Brexit, Trump und Co.), verständliche, lehrreiche (was heißt Post-Internet?) und ästhetische Ausstellung entstanden. Zwar sehr beschaulich – aber sie ist auch »nur« als Teaser für ein großangelegtes Ausstellungsprojekt gedacht: »Open Codes. Leben in digitalen Welten«, die für Herbst dieses Jahres geplant ist. Allerdings kommt dieses Projekt – zumindest für das ZKM, das lange als wichtigster Ort für neue Medien und Gegenwartskunst galt – sehr spät, eigentlich zu spät. Etwa in Anbetracht der letzten Berlin-Biennale, die sich bereits ausschließlich der Post-Internet-Kunst gewidmet hat.

Streifzüge durch das Netz

Und die Künstler? Es treten sowohl (bekannte als auch weniger bekannte, Frauen und Männer in ausgewogenem Verhältnis) Künstlerpersönlichkeiten, die sich mit persönlichen wie globalen oder politischen Themen beschäftigen, als auch eine Generation – oder besser eine Szene – in ihrer Geschlossenheit auf. Alle Künstler und Künstlerinnen sind in den 1980er Jahren geboren und damit die ersten Vertreter der »Digital Natives«. Sie erzählen Geschichten von ihren Streifzügen durch das Netz, von ihren Erkundungen in 3D- oder Bildbearbeitungsprogrammen, von Virtual Reality Expeditionen. Die meisten von ihnen erzählen es mit Rauminstallationen, Objekten und Videos. Niemand erzählt mit klassischen Bildern an der Wand.

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© ZKM | Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe, Foto: Jonas Zilius
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Ganz anders Markus Lüpertz, der im Unterschoss ausgestellt wird und an dessen Werken man somit vorbei muss, um in die Post-Internet-Ausstellung zu gelangen. Auch darüber hinaus ist der »Malerfürst« durch die dominanten Lichthöfe des ZKM stets präsent und bildet einen Kontrast: Der einzelne Schöpfer großformatiger gestischer Bilder auf der einen Seite und die Gruppe der »Digital Natives« mit ihren Reproduktionen und Mash-Ups auf der anderen Seite.

Vor allem aber fällt im Vergleich auf, wie sehr die jeweiligen Stile von ihrer Haltung und ihrem Thema vorgegeben sind. So erscheint es undenkbar, dass Phänomene der Robotik, Virtual Reality oder einfach nur des Social Web im Stil von Markus Lüpertz erarbeitet werden – und vice versa. Aber eigentlich wäre das der nächste Schritt, um die Unzertrennlichkeit von Inhalt und Form, Thema und Stil aufzubrechen, die der Post-Internet-Kunst innewohnt. Dann ließe sich Digitalästhetik von ihren Inhalten emanzipieren und auch der Malerei wieder eine legitime Chance geben, Phänomene der Gegenwart zu beschreiben.

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Über die Autorin

Anni Kohout (*1989), studierte Germanistik an der TU Dresden; Kunstwissenschaft und Medientheorie an der HfG Karlsruhe & Fotografie an der HGB Leipzig. Bis 2015 arbeitete sie am ZKM | Karlsruhe. Sie ist als freie Fotografin und Autorin (u. A. für art – Das Kunstmagazin, Inter/view, ZEIT online, taz.die tageszeitung, Zebrabutter, Der Greif, Kuba Paris u.a) tätig, Redakteurin der Pop-Zeitschrift und Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Germanistischen Seminar der Universität Siegen.

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Hybrid Layers

Sa, 03.06.2017 – So, 07.01.2018
ZKM_Lichthof 8+9
Kosten: Museumseintritt

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