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Ausstellung

YOU_ser 2.0. Celebration of the Consumer

Neue Forschungen, neue Werke, neue Aspekte

Fr, 01.05. – So, 30.08.2009

© ZKM | Karlsruhe

»YOU_ser 2.0« ist eine Weiterentwicklung der erfolgreichen Schau »YOU_ser: Das Jahrhundert des Konsumenten«, die bereits seit Oktober 2007 im ZKM | Medienmuseum gezeigt wird. Als »exhibition in progress« wurden seither immer wieder Teile der Ausstellung um neue Arbeiten ergänzt und Exponate ausgetauscht. Die nun neu hinzu kommenden Werke sollen die partizipatorische Revolution durch das Web 2.0 verstärkt in den Ausstellungskontext übertragen.
 

Der Aufstieg der Maschinen und Massen

Die Web 2.0 Revolution ist die vorläufig vollendete Form einiger Tendenzen der technologischen Revolution, die in der Aufklärung vorbereitet und in der industriellen Revolution der Maschinen erstmals umfassend realisiert wurde. Der Aufstieg der Maschinen und der Massen, der im 19. Jahrhundert erfolgte, hat die Philosophie und die Kunst erstmals im 20. Jahrhundert beunruhigt (José Ortega y Gasset »Der Aufstand der Massen«, 1929, David Riesman »Die einsame Masse«, 1950, Pontus Hultén »Machine as Seen at the End of the Mechanical Age«, 1968). Die erste Lektion des Aufstands der Maschinen und der Massen war eine allgemeine Mobilmachung, die in einer Gabelung auftrat: Erstens, die materielle und physische Mobilität durch die Radtechnologie (Auto, Zug, Fahrrad, etc.), zweitens, die immaterielle und semiotische Mobilität durch die Zeichen. Bis ca.1840 bedurfte jede Botschaft eines Boten, jede Nachricht eines Körpers, jede Information eines Trägers (die Tauben, die Soldaten, die Schiffe, die Autos, die Läufer, die Pferde überbrachten eine Nachricht). Drahtlose Nachrichtenübertragung, also körperlose Zeichenübertragung funktionierte nur bei den Engeln. Ab dem Telefax, dem Telefon, der Television etc. wurden Zeichen auf elektromagnetischen Wellen übertragen, also körperlos und unsichtbar. Die Zeichen reisten körperlos. Die Botschaft brauchte keinen Boten, die Nachricht keinen Körper. Diese immaterielle Körperlosigkeit der Signale führte zu einer Explosion der Zeichenkommunikation und Information. Physische und virtuelle, materielle und immaterielle Mobilität führte zu einer massiven Steigerung der individuellen Mobilität, aber auch zu einer Steigerung der Mobilität der Massen.
 

Die Regenbogenfarben der Demokratie

Die zweite Revolution folgte der Maschinisierung auf dem Fuß, nämlich die Humanisierung der Natur und die Humanisierung der Arbeit. Die technischen Werkzeuge werden entwickelt, um die Arbeit zu erleichtern und um den Menschen von der Last und Bürde der Natur zu befreien. Die Technologie humanisiert die Natur, die technologische Kunst humanisiert die Kunst.
Auf die Mobilisierung, die Maschinisierung und die Humanisierung folgte die dritte Revolution, nämlich die Demokratisierung des Wissens, die Zugänglichkeit der Information für alle. Die Technologie verwandelte Wissenschaft und Kultur tendenziell von einem Medium der Eliten zu einem Medium der Massen. Wenn Stendhal in seinem Roman »Le Rouge et le Noir« (Rot und Schwarz, 1830) darauf hinweist, dass ein Kind der Massen im 19. Jahrhundert nur über die schwarze Soutane, also die Kirche, oder über den roten Rock des Militärs einen gesellschaftlichen Aufstieg machen konnte, so müsste heute ein äquivalenter Roman alle Regenbogenfarben zitieren. Heute kann nämlich ein Kind der Massen über die Technologie und deren Wirkungen auf die Musik, den Sport, die Unterhaltung in viel mehr Disziplinen einen sozialen Aufstieg machen als bisher. Es sind die Regenbogenfarben der Demokratie, die heute dem Kind der Massen für seine Karriere offen stehen. Das weltweite Netz bildet die universale Bibliothek und die universale Plattform für die Kreativität der Massen. Ist gemäß Otto Rössler das Chaos eine Universalbibliothek und Evolution das Gegenprinzip, können wir paraphrasieren: Web 2.0 und seine Suchmaschinen bilden eine evolutionäre Bibliothek, sind ein Beitrag zur Evolution des Menschen, eine Anthropotechnik, eine Technik zur Menschwerdung des Menschen.
 

Das neue Subjekt: der Konsument

Die vierte Revolution besteht aus der fortschreitenden Personalisierung der technologischen Werkzeuge. Vom mobilen persönlichen Telefon bis zum Personal Computer sehen wir eine ubiquitäre Technologie, die dem Individuum rund um die Uhr zur Verfügung steht, so dass der Eindruck entsteht, jedes Individuum befinde sich im Zentrum seiner Welt und das Universum bzw. seine Umgebung passe sich fortwährend den persönlichen Bedürfnissen an.
Aus diesen mehrfachen Revolutionen entsteht in der Summe die Chance zur Emanzipation. Nach den historischen Subjekten der Geschichte wie dem Sklaven oder dem Arbeiter gibt es heute ein neues Subjekt, das zum Agenten der Veränderung werden könnte: den Konsumenten. Mit Hilfe der Technologie, die einen personalisierten Zugang zur Umwelt erlaubt, erhält der Konsument die Option, sich zu emanzipieren, d.h. sich von seiner Umwelt zu befreien. Der Konsument erfährt durch die personalisierte Technologie, dass er Teil (pars) der Umwelt ist und daher an der Umwelt und deren Gestaltung teilnehmen kann. Die Partizipation an der Welt (von pars, das Teil), die Partizipation an der Konstruktion von Kunst zeigt das Subjekt als Teil der Welt, aber auch als Teilnehmer, der mit der Welt interagiert. Wer mit der Welt interagiert, hat die Chance, dass die Welt auf ihn reagiert. Wer partizipiert, agiert. Der emanzipierte Konsument kann als Teilnehmer die Welt verändern. Es gibt also Gründe zu handeln (»Raisons d'agir«, wie das Programm des französischen Soziologen Pierre Bourdieu lautet). Die Teilnahme des Publikums an der Kreation der Werke im Museum ist das Trainingsfeld für die Emanzipation des Konsumenten.
 
Mit der Ausstellung »YOU_ser 2.0: Celebration of the Consumer« widmet sich das ZKM den Auswirkungen der netzbasierten, globalen Kreation auf Kunst und Gesellschaft und zeigt erstmals in technisch avancierten Installationen den Zusammenhang zwischen »user generated content« und zeitgenössischer Kunst.
 
Die in der Ausstellung präsentierten neuen Installationen übertragen das im Internet entwickelte Potenzial der Mitgestaltung durch den Benutzer in einen künstlerischen Kontext und ermöglichen den BesucherInnen, sich zu emanzipieren. Sie können als KünstlerInnen, KuratorInnen und ProduzentInnen agieren. Die AusstellungsbesucherInnen stehen als Nutzer, als emanzipierte Konsumenten im Zentrum. DU (»YOU«) bist der Inhalt der Ausstellung! DU (YOU) bist der Inhalt der Welt. DU (»YOU«) bist Teil des Universums: YOUniverse. DU (»YOU«) bist Nutzer (»User«) der Welt und Teil der Welt, somit Teilnehmer der Welt. Wer ein Teil der Welt ist, trägt klarerweise auch Verantwortung für die Welt, von der er ein Teil ist. Durch seine Teilnahme hast DU (»YOU«), der User (YOUser), die Chance, die Welt zu ändern.
 
In technologisch avanciertesten Environments und Installationen werden der aktuellste Stand der Kunst der Teilnahme (»The Art of Participation«), »the pARTicipation«, gezeigt. Damit wird jene Tendenz unterstützt, die sich im Geiste der Aufklärung für Demokratie, für den schwellenlosen Zugang zur Bildung aller und für die Kreativität aller Menschen einsetzen.

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Martin Häberle (Technische Projektleitung)
Bernhard Serexhe (Projektleitung)

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