Phone Story
Paolo Pedercini – 2011
Unter dem Pseudonym Molleindustria produziert Paolo Pedercini seit 2003 experimentelle Flash-Games. [...]
Nach dem »McDonald's Videogame« (2006) setzt sich Pedercini mit »Phone Story« erneut mit kapitalistischen Arbeitsbedingungen auseinander und reflektiert mit bitterem Sarkasmus die unmenschlichen Produktionsbedingungen von Smartphones. Das erste Level dieses Spiels beginnt mit der cartoonartigen, stilisierten Darstellung einer Coltan Mine im Kongo. Unter schwersten Bedingungen wird das Erz – welches zur Produktion für Smartphones und Tablets verwendet wird – dort von Kindern abgebaut. Als uniformierte und schwerbewaffnete Wachen sollen die Spielenden die erschöpften Kinder zum Weiterarbeiten animieren. Wurden die Kinder ausreichend angeschrien, folgt das zweite Level: eine Anspielung auf eine Serie von Suiziden im Jahr 2010 in den Fabriken des taiwanesischen Elektronikherstellers Foxconn, der unter anderem iPhones und iPads für Apple zusammenbaut. Die Spielenden sollen ArbeiterInnen auffangen, die sich vom Fabrikdach stürzen: Diejenigen, die gerettet werden, begeben sich direkt danach wieder in die Fabrik. Anschließend wird im dritten Level der konsumorientierte Hype um die Produkte einer Marke thematisiert, deren Logo eine Birne ziert. Und um den grausamen Kreislauf zu schließen, wird das Spiel mit dem hochgiftigen Recycling des Elektroschrotts, insbesondere in Afrika und Asien, beendet. Nachdem alle vier Level erfolgreich bewältigt wurden, steht ein neuer Spielmodus zur Verfügung: Im »Obsolescence Mode« (»Veralterungsmodus«) gehen die vier Level in einen endlosen Kreislauf aus Produktion, Marketinghype, geplanter Obsoleszenz und Neuproduktion über. [...]
Text von Sophie Rau und Stephan Schwingeler, erschienen in »Games and Politics. Eine interaktive Ausstellung des Goethe-Institut in Kooperation mit dem ZKM | Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe«, Ausst.-Kat., Goethe-Institut, München 2016.