Homo ludens und sein großes Welttheater
Der Stich zeigt Galileo Galilei, der mit dem Kopf durch die Weltkuppel bricht.
Claus Peymann und Jan Knopf im Gespräch
Do, 16.03.2023 19:00 Uhr CET, Gespräch

Sind wir in die „Welt“ geworfen oder bauen wir sie uns nach eigenem Bild? Finden wir die Welt vor oder ist die Welt unser Konstrukt? Bilden wir in der Kunst das Leben ab oder bauen wir Konstrukte, um uns neu zu erschaffen? Steigen wir ein oder steigen wir aus, wenn wir eine neue Welt wollen, weil sich die alte nicht bewährt hat? Oder gilt schon jetzt: Endstation! Bitte alle einsteigen!

Traditionell ist das „Welttheater“ die Metapher für unsere Realität: die Menschen als Akteure, Gott und seine „Heerscharen“ als Publikum. Seit 200 Jahren wissen wir durch die moderne Technik, dass auch das Unsichtbare real ist. Wissenschaft und Kunst haben das Unsichtbare sichtbar werden lassen und eine neue „Ferngesellschaft“ hervorgebracht, die mit elektromagnetischen Wellen Raum und Zeit überwindet. Mit den neuen Medien (Film, Radio, Fernsehen, Smartphone, KI) tritt der Mensch aus der natürlichen Evolution heraus und schafft sich immer mehr ein Exo-Universum. Nahziel ist dabei bereits die  Verschmelzung von Analogem und Digitalem als neue Spiel- und Erlebnisräume für einen homo novus, der die Welt nach eigenem Vermögen baut und sich in ihr exklusiv einrichtet. 

Oder: Haben wir uns an die Bequemlichkeiten einer für die Allgemeinheit unverständlichen Technik bereits so gewöhnt, dass wir sie für „natürlich“ und den lebendigen Menschen für einen Störfaktor halten, was mit Techno-Evolution neu zu benennen wäre?

Der Theatermacher Claus Peymann und der Literaturwissenschaftler Jan Knopf im Gespräch.

Definitionen:

Welttheater: Das reale Theater bildet als theatrum mundi die Bühne der Welt ab. Gott ist der erhöhte Spielleiter und vertritt mit den Engeln das Publikum. Den Menschen sind durch Gott ihre Rollen zugeteilt, die sie konsequent durchzuspielen haben und mit denen sie sich im Spiel bewähren müssen.

Nach der damals gültigen Ständeklausel blieb jeder der, als der er angetreten war: Der Bettler blieb arm und wohnungslos, der Bauer Feldbesteller, der König blieb Herrscher. Nach dem Motto »Tue recht – Gott über Euch« sowie mit tätiger Nächstenliebe hat der Mensch seine Rolle zu bestehen und wird am Ende von Gott je nachdem, wie er seine Rolle gespielt hat, bestraft oder belohnt. Beispiel: Calderóns »Das große Welttheater« (um 1630), erneuert von Hugo von Hofmannsthal und noch heute auf dem Spielplan: »Das Salzburger große Welttheater« (1922).

Exo-Evolution: Der Mensch lagerte die Funktionen seines Körpers aus: die Hand in den Hammer, die Füße in das Rad, die Arme in Pfeil und Bogen, das Sprechen in die Schrift, das Gedächtnis in Tontafeln und Computer etc. Mit der Kette der Exteriorisierungen tritt der Mensch aus der Evolution aus, er befreit sich von der Gewalt der Natur und schafft mit exteriorisierten Organen, eine Exo-Evolution. 

Techno-Evolution: Das Technische verliert erstaunlich schnell den Charakter des Fremden, indem es anthropomorphe Anpassungen hervorbringt. So wird den Menschen die zunächst mechanisierte, technisierte, dann elektrifizierte und jetzt digitalisierte Umwelt in einer Kette von zunehmenden Simulationen zur (zweiten) Natur und lässt ihn die erste Natur vergessen.