Interview

Kaija Saariaho | »Femmes4Music«

die Komponistin im Gespräch

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Datum
Dauer
46:30

Beschreibung

»Korvat auki, Ohren auf!« das ist der Name einer Gesellschaft, die Kaija Saariaho zusammen mit anderen jungen Musikstudierenden in den 1970er-Jahren in Finnland gründet. »Ohren auf!« das ist auch das Motto, das die Komponistin Kaija Saariaho bis heute begleitet.

Korvat auki richtet sich gegen den konservativen finnischen Musikbetrieb der 1970er-Jahre, als vor allem neoromantische Komponisten Aufträge für große Opern bekamen. Die Studierenden um Korvat auki interessieren sich dagegen für Werke der Avantgarde, die sie durch ihren Kompositionslehrer Paavo Heininen an der Sibelius-Akademie in Helsinki kennenlernen, und sie organisieren Konzerte und Workshops, in denen sie diese und ihre eigenen Werke der Öffentlichkeit vorstellen.

Kaija Saariaho setzt ihre Studien in Freiburg im Breisgau bei Brian Ferneyhough und Klaus Huber fort. Ihr eigener Blick auf die Avantgarde wird zunehmend kritisch, sie findet viele Werke »musikalisch uninteressant«. Als ob sie das Motto »Ohren auf!« jetzt der Avantgarde zurufen würde, bemängelt sie, dass in Kompositionen oft Konzepte umgesetzt werden, die »nichts mit den Gesetzen der Wahrnehmung zu tun haben«, und dass Werke »nicht mit musikalischen Inhalten umgehen.« Sie kritisiert es, wenn Werke »nur auf dem Papier ausgearbeitet werden, davon aber nichts hörbar ist.«

1982 geht Saariaho nach Paris, an das Institut de recherche et coordination acoustique/musique (IRCAM), das wenige Jahre zuvor gegründete Forschungsinstitut für Musik und Akustik. Dort studiert sie intensiv die erwähnten Gesetze der Wahrnehmung, die für sie zum grundlegenden Handwerkszeug des Komponierens gehören. Am IRCAM gibt es engen Austausch mit anderen Komponisten, Forschern und Entwicklern. Saariaho bekommt Einblick in die Bereiche Akustik und Psychoakustik und erhält Zugang zu neuesten Forschungsergebnissen. Sie lernt Programmiersprachen und beschäftigt sich mit algorithmischer Komposition und elektronischer Klangsynthese. Was sie hier im Fach Computermusik lernt, wird auch die Art beeinflussen, wie sie ohne Computer für Instrumente komponiert.

Ihr erstes international erfolgreiches Werk für Orchester und Tonband »Verblendungen« entsteht und Saariaho wendet bereits die neu erworbenen Kenntnisse an. Sie stellt sich selbst die schwierige kompositorische Aufgabe, das Werk mit dem Höhepunkt zu beginnen und anschließend über einen Zeitraum von 14 Minuten die Lautstärke und musikalische Energie kontinuierlich abzubauen. Damit dabei der Fluss der Musik nicht verloren geht, plant sie mehrere Entwicklungslinien, die sich überlagern. Zum Beispiel beginnt das Orchester mit tonhöhenorientierten und endet mit geräuschhaften Klängen (bei denen also keine genaue Tonhöhe wahrnehmbar ist). Das Tonband bewegt sich in umgekehrter Richtung: es beginnt mit Geräusch und endet mit Tonhöhe. Bei aller Theorie, die in das Stück einfließt, bleibt für Saariaho aber die letzte Instanz immer ihr Ohr, mit dem sie entscheidet, ob eine Note oder ein Klang gelungen ist oder korrigiert werden muss.

 

Impressum: Dominik Kautz (Kurator/in), Dominique Theise (Kurator/in), Peter Weibel (Konzeption)
Produktion: ZKM | Videostudio

 

Mitwirkende

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