Musik / Musiktheater / Sound Art

© ZKM | Karlsruhe, Foto: Felix Grünschloß

Nach der technologischen Innovation in der Musik in den 1930er-Jahren entwickelten sich die klanglichen Erfahrungswelten mit großer Geschwindigkeit. Durch den Einsatz von Computern zur Berechnung von Klängen seit den 1960er-Jahren waren die Themen Simulation und digitale Klangsynthese dominierend. Daneben hatte der technologische Einsatz Konsequenzen für die Artikulation des Genres.

In Klanginstallationen und im technologisch motivierten Musiktheater änderte sich das Denken von Werk, Form und Material. Opern mit einer bei jeder Aufführung neu berechneten Zufallsform wurden realisiert, ebenso Werke ohne spezifische Klangsubstanz, ohne Anfang und Ende, mit generativen Algorithmen berechnet, die ständig neue Klangkonstellationen produzierten.

Seit der Jahrtausendwende erlebt die Musik eine beschleunigte Entwicklung von Interfaces. Nicht der Klang an sich, sondern die Art und Weise, wie er ausgelöst oder wie er der Hörerschaft präsentiert wird, gewinnt an Bedeutung. Diese Interfaces bilden nicht nur die Brücke zwischen der analogen und der digitalen, sondern in den meisten Fällen auch zwischen der konkreten und der abstrakten Welt. Neue technische Mittel wie druckbare Schaltkreise oder programmierbare interaktive Touchscreens eröffnen permanent neue methodische Möglichkeiten, um mittels Klängen zu interagieren.

Daneben entwickelten sich neue technische Möglichkeiten zur Steuerung von Klangraumprojektionen. Inzwischen gibt es eine Reihe von permanent eingerichteten Klangprojektionsräumen mit 50 und mehr Lautsprechern. Waren die innovativen Systeme 1958 und 1970 nur wenige Monate in Gebrauch, etablieren sich die gegenwärtigen Anlagen als wichtiger Bestandteil der Konzertkultur des dritten Jahrtausends.

Die Verwendung von Klang bleibt heute nicht allein den musikalisch ausgebildeten KomponistInnen vorbehalten. Auch viele KünstlerInnen anderer Sparten bedienen sich akustischer Mittel; das heutige Museum ist voller Klänge und wartet auf weiteren Input durch die BesucherInnen. Klanginstallationen haben Einzug in das Museum gehalten und sich damit in den Kunstmarkt integriert.

Während sich das zeitgenössische Musiktheater von den Opernhäusern weg hin zu alternativen Spielstätten bewegt, ergeben sich auch für die elektronische Musik alternative Möglichkeiten, mit HörerInnen in Kontakt zu treten. Archive und experimentelle Methoden, mit Archiven zu interagieren, bringen die Werke in das Museum.

Zusätzlich entwickeln sich Übergänge zwischen den einst festgelegten Genres. Das narrative Musiktheater bedient sich anderer, nicht mehr abendfüllender Erzählformen; es verlässt die Bühne, oder die Akteure und Akteurinnen werden kurzerhand virtualisiert. Die experimentelle elektronische Musik hat Varianten entwickelt, die in Clubs präsentiert werden und bis zu tanzbaren Werken reichen. Gleichzeitig hat sie sich vom klassischen Instrumentarium abgekoppelt und schuf, bedingt durch die häufige Personalunion von KomponistIn und InstrumentalistIn, einen von Aufträgen durch Rundfunkanstalten und klassischen Festivals unabhängigen, ästhetisch weitaus selbstständigeren Stil.

Autor: Ludger Brümmer

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