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Veranstaltung

Foucault und die Künste (Symposium)

Di, 19.02. – So, 22.09.2002

Michel Foucault, der am 15. Oktober 2001 fünfundsiebzig Jahre alt geworden wäre, gilt als einer der großen Denker des 20. Jahrhunderts. Er praktizierte ein Denken, das ebenso einzigartig wie vielfältig und fern aller Schulen, Ismen und Ideologien ist. Seine großen Monographien zu Psychiatrie, Medizin, Gefängnis und Sexualität greifen historisch weit zurück, sind aber aus einer Perspektive des Heute geschrieben. Es geht ihm nicht darum, Verhaltensweisen und Ideen zu analysieren, nicht die Gesellschaften und ihre »Ideologien«, sondern darum, die »Problematisierungen“ hervorzuheben. „Eine Problematisierung ist immer etwas Schöpferisches; aber in dem Sinn, daß Sie bei einer gegebenen Situation nicht folgern können, daß diese Art von Problematisierung folgen wird.“ [Michel Foucault]

In einem Gespräch mit Paolo Caruso sagte Foucault 1969: „Wenn meine Erinnerungen exakt sind, bekam ich den großen kulturellen Schock durch französische Vertreter der seriellen Musik und der Zwölftonmusik durch Boulez und Barraqué, mit denen ich freundschaftlich verbunden war. Sie haben mich zum ersten Mal aus dem dialektischen Universum herausgerissen, in dem ich gelebt hatte.“ Von der Mitte der 1950-Jahre bis zu den letzten Arbeiten Foucaults spannt sich ein Bogen zur »techné tou biou» der Antike, zur Lebenskunst. Seine Bücher zum Wahnsinn, zur Klinik, zu den Humanwissenschaften, zum Gefängnis und zur Sexualität sind begleitet von Büchern zu Raymond Roussel und René Magritte, von Artikeln zur Geschichte der Literatur, zur Gegenwartsliteratur, zur Malerei, zur Architektur. Er hat den Kontakt zu den Künstlern gesucht und sie den Kontakt zu ihm.

Die Frage der Technologie hat in den Künsten selbst auch zur neuen Konzeption von Kunsthochschulen, Akademien und multimedialen Zentren à la Beaubourg oder dem ZKM geführt. Die gute alte Frage »Was ist Kunst?« hat wieder Konjunktur. Es geht um Klassifikationen und Definitionen von Fächern und Disziplinen, es geht um das Verhältnis von Kunst und Technologie, seit sie vor zweihundert Jahren in der »Querelle des Anciens et des Modernes« auseinandergetreten sind. Es geht um das weite Feld der Lebenskunst und der Ethik. Foucaults Ausgangspunkt ist immer das Heute gewesen und dieses Heute war immer bestimmt durch ästhetische Erfahrungen. Eben darin trifft er sich mit Adorno. Nach dessen Tod 1969 ist jedoch dieses Band zwischen ästhetischer Erfahrung und theoretischer Arbeit im deutschen Sprachraum mehr und mehr zerrissen. Vielleicht läßt es sich mit Foucault neu, aber freilich auch anders, verknüpfen.

Nicht ein ideologisches Für und Wider oder ein akademisches »Über«, nämlich Foucault, soll im Zentrum des internationalen Treffens stehen, als vielmehr die Technik, wie man ausgehend von oder mit Foucault auf Praktiken und Poetiken stößt, die anderswo ihren Bezugsrahmen haben: in der Literatur, der Malerei, im Film, in der Musik, der Architektur und in der Philosophie. Da, wo sich ein wissenschaftliches Kolloquium und ein Kunstfestival treffen würden, an den Peripherien ihrer Wirkungskreise, ist der Ort für dieses Treffen. Künstler, Philosophen und Wissenschaftler begegnen sich, Freunde sehen sich wieder. Interessierte, Neugierige und Kritiker treffen auf Michel Foucault. Dieses Treffen soll ein Fest sein, eine Feier und zugleich ein multimediales Spektakel, ein informelles Forum. Filme, Vorträge, Lesung, Konzert, Ausstellung, Installationen und Gespräche sollen den Charakter der Begegnung sowohl akademisch als auch spielerisch, verhalten und leise, ironisch und ausgelassen, gestalten.
 

Programm

Donnerstag, 19. September 2002

17.00 Uhr
Eröffnung: Francis Etienne, Peter Gente und Peter Weibel

18.00 Uhr
Ulrich Raulff
»Techné-Ars-Kunst« [Eröffnungsvortrag]

19.00 Uhr
Daniel Defert
»Sehen und Sprechen, für Foucault« [Ausstellungseröffnung]
 

Freitag, 20. September 2002

10.00 Uhr
Thomas Lemke
»Räume der Regierung: Kunst und Kritik der Menschenführung«

11.00 Uhr
Alessandro Fontana
»Ästhetik der Existenz«

12.00 Uhr
René de Ceccatty
»L’Amitié homosexuelle comme force créatrice et mode de vie« [Die homosexuelle Freundschaft als schöpferische Macht und Lebensstil]

15.00 Uhr
Wolfgang Ernst
»Das Gesetz des Sagbaren: Foucault und die Medien«

16.00 Uhr
Thierry de Duve
»Ah! Manet... Wie hat Manet ‚Un bar aux Folies Bergères’ konstruiert?«

18.00 Uhr
Toni Negri
»Michel Foucault et les Arts dans Empire« [Videokonferenz]

19.00 Uhr
Centre Michel Foucault und Suhrkamp Verlag [Präsentation]
 

Samstag, 21.September 2002

10.00 Uhr
Ulrich J. Schneider
»Bücher – Wissen – Künstlichkeit«

11.00 Uhr
Walter Seitter
»Kriegskunst vs. Geschichtsphilosophie«

12.00 Uhr
Friedrich Kittler
»Ars amandi, scientia sexualis«

15.00 Uhr
Wilhelm Schmid
»Nach Foucault: techné tou biou am Beispiel der praktischen Arbeit in einer Klinik«

16.00 Uhr
Michael Glasmeier
»Foucault – Magritte – Broodthaers«

18.00 Uhr
Arne Klawitter
»Von der Ontologie der Sprache zur Diskursanalyse moderner Literatur«

19.00 Uhr
Lesung von Gisela Straehle
»Der Anthropologische Zirkel« aus Folie et déraison«
 

Sonntag, 22. September 2002

10.00 Uhr
Tom Lamberty
»Heterotopologie IN/OUT«

11.00 Uhr
Andreas Hiepko
»Eine verräterische Kunst. Foucaults Übersetzungen«

12.00 Uhr
Judith Revel
»Theatrum Philosophicum«

15.00 Uhr
Pravu Mazumdar
»Kunst der Repräsentation«

16.00 Uhr
Bernd Stiegler
»Foucault und die Photographie«

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