Giga-Hertz-Preis 2012 & Walter-Fink-Preis des ZKM
Sa, 24.11.2012 19:00 Uhr CET
Im Zentrum des IMATRONIC-Festivals steht die Verleihung des Giga-Hertz-Preises, der in diesem Jahr erstmals in den drei Kategorien »Elektronische Musik«, »Sound Art« sowie »Tanz und Medien« vergeben wird. Die Konzerte der PreisträgerInnen des Walter-Fink-Preises des ZKM 2011 rahmen das Programm.
Preisträger Giga-Hertz-Preis 2012
Der Giga-Hertz-Preis für elektronische Musik wird bereits seit 2007 alljährlich vom ZKM | Karlsruhe gemeinsam mit dem Freiburger EXPERIMENTALSTUDIO des SWR vergeben. Während der Hauptpreis renommierte KomponistInnen für deren Lebenswerk auszeichnet, sind die vier Produktionspreise für BewerberInnen der jüngeren Generation geöffnet. Elektronische und elektroakustische Musik, neue Medien und Tanz sollen hierin eine Symbiose eingehen und kreatürliche Bewegungen mit avancierter Klangverarbeitungs- und Aufführungstechnik in Übereinstimmung bringen.
Präsentation Walter-Fink-Preis
Der Walter-Fink-Preis des ZKM für Tanz, elektronische Musik und Medien wurde im Jahr 2011 zum letzten Mal vergeben. Seit diesem Jahr fungiert der Walter-Fink-Preis unter dem Namen »Giga-Hertz-Preis für Tanz und Medien«. Der Produktionspreis prämiert die technisch innovative Verbindung von Choreografie und Klang. Elektronische und elektroakustische Musik, neue Medien und Tanz sollen hierin eine Symbiose eingehen und kreatürliche Bewegungen mit avancierter Klangverarbeitungs- und Aufführungstechnik in Übereinstimmung bringen.
Vorwort
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der Jury
Im Jahr 2012 wird der sechste Giga-Hertz-Preis des ZKM | IMA und des Experimentalstudios des SWR vergeben. Nach Jonathan Harvey, Trevor Wishart, Jean-Claude Risset, Gottfried Michael Koenig und Pierre Boulez wird der Preis diesjährig an zwei Persönlichkeiten der Musikwelt vergeben: An die amerikanische Komponistin und Interpretin Pauline Oliveros und an den leider nach der Juryentscheidung unerwartet verstorbenen portugiesischen Komponisten Emmanuel Nunes. Während Nunes sich einen Namen in den Konzertsälen der Neuen Musik machte und hier unermüdlich die Möglichkeiten des Lautsprechers im Zusammenspiel mit Instrumenten und Interpreten erforschte, schöpfte Pauline Oliveros die Ideen für ihre Arbeit aus den Gegebenheiten der amerikanischen experimentellen Musik. Beide schufen ein Oeuvre, wie es unterschiedlicher nicht sein kann, sich aber dennoch perfekt ergänzt zu einem Bild lebendiger Kreativität.
Die drei Produktionspreise werden dem französischen Komponisten Brice Pauset, sowie den italienern Valerio Sannicandro und Lara Morciano überreicht. Die Förderpreise gehen an die Japanerin Kumiko Omura und an den Amerikaner Douglas Henderson.
Die Jury für den Giga-Hertz-Preis für elektronische Musik bestand aus der künstlerischen Leiterin der Biennale Salzburg Heike Hofmann, dem künstlerischen Leiter des IRCAM, Frank Madlener, dem Komponisten und Professor Robert Normandeau, dem Leiter des Institut für Musik und Akustik Ludger Brümmer, dem Leiter des Experimentalstudio des SWR Detlef Heusinger und dem Direktor des ZKM | Karlsruhe Peter Weibel.
Als Neuerung werden in diesem ahr erstmals zwei zusätzliche, hochdotierte Preise vergeben. Der Giga-Hertz-Preis für Sound Art geht an das zeitweilig gemeinsam agierende Künstlerduo Carsten Nicolai und Ryoji Ikeda für ihre Produktion »cyclo.id«, in der klangliche Eigenschaften visualisiert wurden. Weiterhin wird erstmals der Giga-Hertz-Preis für Tanz und Medien an Myriam Gourfink und Kasper T. Toeplitz verliehen. Nachdem der Walter-Fink-Preis äusserst interessante Projekte ermöglicht hat, entschied sich das ZKM | Karlsruhe, dieses von Walter Fink über drei jahre großzügig geförderte Projekt eigenständig weiterzuführen.
Hauptpreisträger:innen 2012
Pauline Oliveros (USA)
Die Jury war beeindruckt von Pauline Oliveros Innovationskraft, durch die Eigenständigkeit ihres künstlerischen Weges, die Konsequenz ihrer Aktivitäten und die Universalität ihrer ästhetischen Position. Geboren 1932 in Houston, Texas gehört Pauline Oliveros zu den Wegbereiter:innen einer völlig neuen unabhängig von europäischen Mustern agierenden Musik. In dieser exponiert sie nicht nur die Musik selbst, sondern die Art und Weise in der Musik rezipiert wird und die Rolle, die Musik in unserem Leben spielt. Der von ihr geprägte Begriff des »deep listening« avancierte zu einer neuen Denkweise über Klang und dem Verhältnis des Hörers zu diesem Klang. Oliveros wirkte lange Zeit als Akkordeonistin, u.a. bei der Uraufführung von Terry Rileys »In C« 1964. In ihrer eigenen Musik wurde sie durch die Eigenschaften dieses Instrumentes durchaus geprägt. Das Denken in Klangschichten ebenso wie in langen ununterbrochenen Ereignissen geht auf diese Erfahrungen zurück. Sie nahm vorweg, was später als Ambient und Noise tituliert wurde. Mit ihrer unprätentiösen Attitüde entwickelte sie abseits vom Mainstream einen individuellen spielerischen Zugang zu einer Vielzahl elektronischer oder akustischer Instrumente. Sie gründete 1961 zusammen mit Steve Reich, Terry Riley, Ramon Sender und Morton Subotnik das noch immer existierende San Francisco Tape Music Center, lehrte am Mills College, an der University of San Diego und gegenwärtig am Rensselaer Polytechnic Institute. Neben dem Akkordeon impovisiert sie mit dem von ihr selbst entwickelten expanded instrument System, einem Set von Instrumenten zu Signalverarbeitung in Echtzeit. Sie gründete die Pauline Oliveros Stiftung, die später zum Deep Listening Institute avancierte.
Emmanuel Nunes (Portugal)
»Emmanuel Nunes war und bleibt einer der eigenwilligsten und aufregendsten Komponisten unserer Zeit«, schreibt Gerhard Rohde in seinem am 4.9.2012 in der FAZ erschienen Nachruf. Eigenwillig wohl, weil er als einer der wenigen Teilnehmer der Kompositionskurse von Boulez und Stockhausen deren damals noch latent seriellen Ansatz in eine eigene kompositorische Sprache umzusetzen und fortzuführen wusste und aufregend, weil er mit unerbittlicher Konsequenz für ein musikalisches Ideal kämpfte, welches bei den Zwängen des heutigen Musikbetreibens nur selten zu erreichen ist. Geehrt wird er hier, ob seines Einsatzes von und für Live-Elektronik. Schon in seinem ersten bedeutenden Werk mit dieser, dem 1986 als Auftrag des damaligen Südwestfunks Baden-Baden im Experimentalstudio Freiburg entstandenen »Wandlungen«, nutzt er konsequent die ihm damals zur Verfügung stehenden Klang-»wandlungs«-Möglichkeiten und fügt dem Werk über das Halaphon eine räumliche Dimension hinzu.
Diese im Experimentalstudio begonnene Arbeit setzte er dann im IRCAM fort, wobei etliche seiner dort entstandenen Werke merkwürdigerweise deutsche Titel tragen, wie »Nachtmusik«, »Lichtung«, »Einspielung« oder gar sein Musiktheater »Das Märchen« nach Goethe. Diese Affinität zu deutscher Kultur und Sprache findet seinen schicksalsbedingten Schlusspunkt in »Peter Kien – eine akustische Maske«, seinem letzten Werk mit Live-Elektronik wie überhaupt seinem letzten Opus. Es arbeitet mit Sprachrhythmik, Sprachmelodik und Sprachphänomenologie und wie dieser inhärent, der damit zusammenhängenden Problematik von sprachlicher wie musikalischer Kommunikation. Die »akustische Maske« verweist auf den Terminus Charaktermaske und stellt die unbeantwortete Frage, inwiefern es eine solche auch in musikalischer Hinsicht gibt. Aufgabe der Live-Elektronik ist es, instrumentale Charaktermasken oder instrumentale Idiome zu dechiffrieren wie zu orchestrieren, sie ist dabei nicht »Schminke« (wie Emmanuel Nunes selbst sagt) auf der Textur, sondern von essentieller Bedeutung für den eigentlichen Gehalt des Werkes. Demzufolge sind nur die transformierten Klänge aus dem Lautsprecher für das Klangbild von Relevanz, weshalb Nunes bei der Uraufführung von »Peter Kien – eine akustische Maske« sogar eine akustische Wand vor den Musiker:innen in Erwägung gezogen hatte. Seine Gabe in verschiedenen Schichten zu denken und damit eine komplexe musikalische Phänomenologie zu entwickeln, weist weit in die Zukunft.
Programm
Die Preisverleihung mit renommierten LaudatorInnen aus Kunst und Politik wie Robert Normandeau und Frank Madlener wird abgerundet durch Konzerte der PreisträgerInnen der letzten Jahren. Im Anschluss folgen Darbietungen der PreisträgerInnen des Walter-Fink-Preises des ZKM 2011 Mireille Leblanc und Åke Parmerud.
Preisverleihung
Laudatio und Verleihung des Giga-Hertz-Preises in den Kategorien »Elektronische Musik«, »Sound Art« und »Tanz & Medien« | |
anschließend
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anschließend Carsten Nicolai & Ryoji Ikeda: »cyclo.«, Live-Performance | |
anschließend
Mit José Miguél Fernandèz, Noa Frenkel, Sven Thomas Kiebler, Andrea Nagy, Diego Tosi, Olaf Tzschoppe, Wei Wu | |
anschließend
Mit Jamie E. Oliver La Rosa, Pauline Oliveros, Benedikt Schiefer, Horacio Vaggione, Andrea Vigani, Anna Zassimovà |
Programmheft
Programmheft
- ghp_ph_2012_imatronic_korrekturdateii.pdf (962.21 KB)
Jury
Ludger Brümmer (Komponist, Leiter des ZKM | Hertz-Labor)
Detlef Heusinger (künstlerischer Leiter des SWR Experimentalstudio)
Frank Madlener (Leiter des IRCAM, Paris)
Heike Hofmann (künstlerische Leiterin der Salzburg Biennale)
Peter Weibel (künstlerischer Leiter des ZKM | Karlsruhe)
Organisation / Institution
Kooperationspartner
EXPERIMENTALSTUDIO des SWR