Giga-Hertz-Preis 2011 & Walter-Fink-Preis des ZKM
Sa, 26.11.2011 17:00 Uhr CET
Zum fünften Mal verleiht das ZKM gemeinsam mit dem EXPERIMENTALSTUDIO des SWR die Giga-Hertz-Preise für elektronische und akusmatische Musik.
Pierre Boulez wird mit dem Giga-Hertz Hauptpreis für sein richtungsweisendes Werk geehrt. Die Jury, bestehend aus Peter Weibel (Vorstand ZKM | Karlsruhe), Ludger Brümmer (Leitung ZKM | Institut für Musik und Akustik), Detlef Heusinger (Leitung EXPERIMENTALSTUDIO des SWR), Björn Gottstein (Journalist, Vorsitzender INM Berlin e.V.), Rainer Pöllmann (Musikwissenschaftler und -journalist) würdigte besonders die Pionierarbeit, die Boulez in dem Metier der elektronischen Musik leistete. Boulez zu Ehren werden an diesem Abend gleich drei seiner Kompositionen aufgeführt, die die Vielfältigkeit seines Schaffens spiegeln: Ein rein instrumentales Werk, ein instrumentales Stück mit Live-Elektronik und eine akusmatische Komposition.
Der Giga-Hertz-Produktionspreis geht an den argentinischen Komponisten Horacio Vaggione. Vaggione lebt in Paris, hat an der Université de Paris-VIII eine Professur für Musik inne und leitet zudem das Doktorandenprogramm für Musik und Technologie. Durch die Auszeichnung bekommt der Komponist die Möglichkeit sich am ZKM wieder seiner kompositorischen Arbeit zu widmen. Augrund des großen Zuspruchs gerade bei der jüngeren Komponistengeneration hat die Jury dieses Jahr entschieden, mehr Preise als sonst üblich zu verleihen um so den Nachwuchs besonders zu fördern. Die Giga-Hertz Förderpreise gehen an: Aaron Einbond (USA), Madjid Tahriri (Iran), Anthony Tan (Kanada), Eric Lyon (USA), Benedikt Schiefer (Deutschland) und Andrea Vigani (Italien).
Walter-Fink-Preis des ZKM
2011 wird zum dritten Mal auch der Walter-Fink-Preis des ZKM für Tanz, elektronische Musik und Medien vergeben. Der Produktionspreis für die technisch innovative Verbindung von Choreografie und Klang richtet sich an Teams, bestehend aus KomponistInnen, ChoreografInnen, TänzerInnen und BühnenbildnerInnen.
Innovation entstand oft aus der Verbindung von Klanggeste und körperlicher Bewegung. Tanz und zeitgenössische Musik sind spätestens seit Igor Strawinskys »Sacre« oder John Cages Arbeiten für die »Merce Cunningham Dance Compagnie« prominente Beispiele dafür. Wie aber kann das Verhältnis von Tanz und zeitgenössischer Musik angesichts interaktiver Medien im 21. Jahrhundert neu definiert werden? Der Musikmäzen Walter Fink versucht mit dem von ihm für das ZKM | Institut für Musik und Akustik (IMA) gestifteten Walter-Fink-Preis des ZKM für Tanz, elektronische Musik und Medien Antworten darauf zu finden. Elektronische und elektroakustische Musik, neue Medien und Tanz sollen eine Symbiose eingehen und kreatürliche Bewegung mit avancierter Klangverarbeitungs- und Aufführungstechnik in Übereinstimmung bringen. Der Körper soll innerhalb dieser Anordnung dasjenige schöpferische Element sein, welches durch seine Choreografie das Kunstwerk im Moment der Aufführung immer wieder neu erschafft und steuert.
Der Walter Fink-Preis für elektroakustische Musik, Tanz und Medien geht dieses Jahr an das kanadische Duo Mireille Leblanc und Åke Parmerud.
Die Jury 2011 setzt sich zusammen aus: Ludger Brümmer (Leitung ZKM | Institut für Musik und Akustik), Walter Fink (Musikmäzen), Achim Heidenreich (Leitung musiktheater intégrale | Hochschule für Gestaltung Karlsruhe) und Thomas Neuhaus (Institut für Computermusik und elektronische Medien, Folkwang Universität der Künste Essen).
Die Preisverleihung mit renommierten Laudatoren aus Kunst und Politik ist eingerahmt von hochrangigen Konzerten. Als Auftaktveranstaltung wird am Nachmittag das EXPERIMENTALSTUDIO des SWR live-elektronische Werke von Detlef Heusinger, André Richard und Marc André zu Gehör bringen, darauf folgen die Preisverleihungen mit Konzertbeiträgen der diesjährigen PreisträgerInnen. Im Anschluss wird die spannende Neuentwicklung der interaktiven Tanz-Musik-Perfomance der Walter-Fink-Preisträger 2010 Pipo Tafel und Daniel Berwanger im Foyer des ZKM uraufgeführt. Es folgen Uraufführungen der Giga-Hertz-Preisträger 2010 für das 47-kanalige Raumklangsystem »Klangdom« im ZKM_Kubus von dem Kanadier Robert Normandeau und dem griechischen Komponisten Orestis Karamanlis.
Vorwort
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von Ludger Brümmer
Im Jahr 2011 wird der fünfte Giga-Hertz-Preis des ZKM | IMA und des Experimentalstudios des SWR vergeben. Nach Jonathan Harvey, Trevor Wishart, Jean-Claude Risset und Gottfried Michael Koenig wird diesjährig der Dirigent und Komponist Pierre Boulez mit dem Giga-Hertz-Preis für seine Verdienste im Bereich der elektronischen Musik geehrt. Mit seinen live-elektronischen Werken »…explosante fixe…«, »Réponse«, »Dialogue de l’ombre double« und »Anthemes II« hat dieser richtungsweisende Impulse für die Entwicklung der Musikgeschichte der letzten 40 Jahre gesetzt. Von epochaler Bedeutung sind die durch ihn beförderte Neubewertung des Raumes und die Neubestimmung der Musikder in heutiger Konzertpraxis durch Elektronik. / / / Der Giga-Hertz-Preis will seine Verdienste insbesondere als musikalischer Visionär herausstellen, der die überragende Bedeutung der Technologie in der Musik begriff und in seinen Kompositionen umsetzte. Hierzu schuf er mit dem IRCAM eine Institution, die vor allem anderen Komponisten zugute kam. Pierre Boulez gilt als einer der bedeutendsten lebenden Musiker und Komponisten. / / / Der Produktionspreis wird diesjährig an den aus Argentinien stammenden Horacio Vaggione vergeben. Er gilt als einflussreicher Komponist im Bereich der akusmatischen Musik, dessen Werk international Furore gemacht hat. Neben seinen rein akusmatischen Werken schuf er zahlreiche Kompositionen für Elektronik und Instrumente und schafft so eine Brücke zwischen den Bereichen akustischer und elektronischer Musik. / / / Aufgrund der hohen Qualität der Einreichungen entschloss sich die Jury, die drei verbleibenden Preise in sechs Förderpreise aufzuspalten. Hierdurch wurde es möglich, drei zusätzliche Kompositionen auszuzeichnen und die jeweiligen Autoren zu einem Arbeitsaufenthalt an eins der beiden Studios einzuladen.
Hauptpreisträger 2011 | Pierre Boulez (Frankreich)
Die Giga-Hertz-Jury entschied sich für die Auszeichnung von Pierre Boulez wegen seiner Verdienste um die elektroakustische Musik als Komponist, aber auch als politisch agierender. Schließlich ist die Gründung des IRCAM und die über Jahrzehnte hin erfolgreiche Arbeit dieser Institution ihm zu versanken. Boulez zeigte mit seinem Engagenement, dass er eine Verantwortung für die Visionen seiner Zeit übernehmen wollte. Einerseits als politisch treibende Kraft, als Manager, aber dann auch als Visionär technischer Möglichkeiten, ohne die sich Musik nicht weiterentwickeln kann. Obwohl er auch immer wieder zu den akustischen Wurzeln seiner kompositorischen Arbeit, aber auch zum Dirigieren zurückfand, setzte er mit seinen Werken Meilensteine in der elektroakustischen Musik. Sein Orchesterwerk »Répons« sei hier zu nennen, für das die Vision einer digitalen Echtzeitkontrolle entwickelt und mit dem legendären Vier-Rechner-System realisiert wurde. Einerseits definierte er hiermit technisch einen »state of the art«, andererseits musikalisch ein allgemeingültiges, weit über das technische Verfallsdatum hinaus gültige Werk. Weiter zu nennen sind hier beispielsweise »explosante fixe« [1991] für Flöte, Live-Elektronik und Ensemble, das er am Experimentalstudio des SWR realisierte oder »Anthèmes II« [1997] für Violine oder Viola und Live-Elektronik, das zur Preisverleihung erklingen wird. / Boulez verkörpert einen auf vielen Feldern agierenden modernen Komponisten, dem es gelungen ist, in allen Aspekten seines Schaffens Exzellenz zu erreichen. Als Dirigent oder als Komponist akustisch instrumentaler Werke hat er Zeitgeschichte geschrieben und eine Reihe bedeutender Preise erhalten. Mit 26 Grammys, dem Ernst von Siemens Musikpreis, dem Polar Music Prize, der goldenen Ehrenmedaille von Baden-Baden und zahlreichen anderen Ehrungen übertrifft er sogar die Megastars der populären Musik. Mit dem Giga-Hertz-Preis ehr die Jury seine Verdienste im Bereich der elektroakustsichen Musik und gesteht ihm auch hier voller Hochachtung seine Exzellenz zu.
– Autor: Ludger Brümmer
Programm | ||||
ZKM_Medientheater 17:00 Uhr | Konzert EXPERIMENTALSTUDIO des SWR | |||
André Richard | »Glidif« für Kontrabassklarinette, zwei Kontrabässe und Live-Elektronik (1989-91) | |||
João Pedro Oliveira | »Angel Rock« für Bassklarinette, Schlagzeug und Live-Elektronik (2010) | |||
Detlef Heusinger | »Abraum II« (Neufassung) für Violine, Violoncello, Klavier und Live-Elektronik (2010) | |||
Live-Elektronische Realisation: EXPERIMENTALSTUDIO des SWR Klangregie: Thomas Hummel, André Richard, Detlef Heusinger, Joachim Haas, Simon Spillner Dirigent: Detlef Heusinger Collegium Novum Zürich Violine: Urs Walker Cello: Imke Frank Kontrabass: Johannes Nied, Käthi Steuri (Kontra-)bassklarinette: Elmar Schmid Klavier: Simone Keller Marimba: Martin Lorenz | ||||
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ZKM_Foyer 19:00 Uhr | Walter-Fink-Preis des ZKM für Tanz, elektroakustische Musik und Medien | |||
Preisträger | Mireille Leblanc und Åke Parmerud | |||
Giga-Hertz-Preis für elektronische Musik 2011 | ||||
Förderpreise 2011 | Eric Lyon, Andrea Vigani, Benedikt Schiefer, Anthony Tan, Aaron Einbond, Madjid Tahriri | |||
Produktionspreis 2011 | Horacio Vaggione | |||
Hauptpreis 2011 | Pierre Boulez | |||
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ZKM_Medientheater 20:45 Uhr | Pierre Boulez. Konzert mit dem EXPERIMENTALSTUDIO des SWR | |||
Pierre Boulez | »Anthèmes 1 für Violine« | |||
Mark Andre | »...hoc..«. für Violoncello und Live-Elektronik | |||
Pierre Boulez | »Anthèmes 2« für Violine und Live-Elektronik | |||
Violine: Michael Barenboim Violoncello: Imke Frank (Collegium Novum Zürich) Live-Elektronische Realisation: EXPERIMENTALSTUDIO des SWR | ||||
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ZKM_Foyer 21:30 Uhr | Walter-Fink-Preisträger 2010 | |||
Daniel Berwanger & Pipo Tafel mit Iain McCurdy | »One Three Two (133)«, Komposition für Solotanz, Kamera, Live-Elektronik [UA, 2011] | |||
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ZKM_Kubus 22:15 Uhr | Konzert der Giga-Hertz-Preisträger | |||
Robert Normandeau | »Le Part des Anges« [The Angels’ Share] (UA, 2011) | |||
Orestis Karamanlis | »Toys« für 24-kanal fixed media (UA, 2011) | |||
Horacio Vaggione [Produktionspreis 2011] | »Points Critiques« (2011) | |||
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23:15 Uhr | Empfang auf dem Musikbalkon |
Programmheft
Programmheft
- ghp_ph_2011_imatronic.pdf (3.25 MB)
Jury
Ludger Brümmer (Komponist, Leiter des ZKM | Hertz-Labor)
Björn Gottstein (Musikwissenschaftler und -journalist)
Detlef Heusinger (künstlerischer Leiter SWR Experimentalstudio)
Rainer Pöllmann (Musikwissenschaftler und -redakteur bei Deutschlandfunk Kultur, Leiter des Ultraschall Festival Berlin)
Peter Weibel (künstlerischer Leiter des ZKM | Karlsruhe)
Organisation / Institution
Sponsoren
Schweizer Kulturstiftung »Pro Helvetia«