David Lindemann: Pan Familia

»Der letzte Gedanke im Leben meines Vaters muss gewesen sein, dass sich die Currysauce im nächsten Moment von innen über die Windschutzscheibe verteilen würde. Dann explodierte der Airbag in sein Gesicht.« Mutter und Tochter müssen warten, der freundliche Herr an der Rezeption hat sie noch nicht im System. Außerdem fehlt Papa. Aber es sieht gut aus: Der zerknautschte Wagen, irgendwo auf der A3, macht nicht den Eindruck, als ob da noch jemand lebend aussteigen würde. Endlich wird den beiden ein Wohnwagen in guter Lage zugewiesen. Überhaupt unterscheidet sich die Situation wenig vom geplanten Urlaub. Aber die Idylle trügt. Zu den Klängen eines Retro-Hippie-Chors werden Positionen zur Willkommenskultur erörtert und seziert. Im links-liberalen Habitus vorgetragene Angstfantasien treffen auf die abstrakte Idee einer nicht reduzierbaren Offenheit jenes menschlichen Miteinanders, das wir Gesellschaft nennen. Der Vorbesitzer des himmlischen Campingplatzes, der das Setting dieser Diskursanordnung gibt, hat die Verantwortung schon lange an die Camper abgegeben. Was machen wir daraus?

David Lindemann, 1977 in Herford geboren, studierte Soziologie und Philosophie in Bielefeld und Berlin. Er arbeitete als Dramaturg u.a. für die Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz und das Hebbel am Ufer. Sein erstes Stück, »Koala Lumpur«, wurde 2003 mit dem Autorenpreis des Berliner Theatertreffens ausgezeichnet. Lindemann war als Gastdozent im Fach Dramaturgie an der Hochschule für Musik und Theater in Leipzig und an der Theaterakademie Helsinki tätig. Viele seiner Texte wurden von Deutschlandradio Kultur in Lindemanns Regie produziert und erstgesendet, darunter auch »Butchers Block«, das im Februar 2014 zum Hörspiel des Monats gewählt wurde. »Pan Familia« ist sein erstes Originalhörspiel.

Mit: Charlotte Müller, Lilith Stangenberg, Anne Tismer, Andreas Schmidt, Hendrik Arnst, Michael Schiefel, Erik Leuthäuser, Lydia Schulz, Zola Mennenöh
Regie: David Lindemann
Musik: Martin Eichberg, Charlotte Müller, David Lindemann
Produktion: DKultur 2015
Länge: 54‘27‘‘