Female Perspectives

Mehr Sichtbarkeit für weibliche Kunst

Soun-Gui Kim mit Pfeil und Bogen, schwarz-weiß
Dauer
2022–2023

Als Videokunst Ende der 1960er- und Anfang der 1970er-Jahre ihren Ursprung findet, nehmen Frauen und Männer gleichermaßen die Rolle von Pionier:innen ein. Zahlreiche Künstlerinnen wandten sich in dieser Zeit bewusst den neuen, historisch unbelasteten Medien Fotografie, Film und Video zu und nutzten insbesondere auch Performances als künstlerisches Ausdrucksmittel. Gemeinsam mit ihren männlichen Kollegen besetzten Frauen damit eine Nische des Neuen.

Im Rückblick jedoch sind es überwiegend die männlichen Namen wie Nam June Paik, die für die Medienkunst stehen. Das ZKM | Karlsruhe zeigt nun vier Einzelausstellungen von herausragenden Medienkünstlerinnen und fasst diese für mehr kommunikative Sichtbarkeit unter dem Titel »Female Perspectives« zusammen. Die Idee, weiblichen Positionen mehr Raum zu verleihen, hat das ZKM | Karlsruhe nicht zuletzt im Frühjahr 2020 mit dem Digitalfestival »FEMINALE DER MUSIK«, die sich dem Werk internationaler Komponistinnen widmete, umgesetzt. Unter dem Titel »Femmes4Music« werden seit November und Dezember 2022 weitere vier herausragende Musikerinnen im Digitalfeature vorgestellt.

»Female Perspectives« lenkt die Aufmerksamkeit auf Künstlerinnen, die fast ausnahmslos zur ersten Generation der elektronischen Kunst zählen. Geboren in den 1940ern und 1950ern sind sie gemeinsam mit ihren männlichen Kollegen Pionierinnen in der Video- und Klangkunst. Möglich ist dies, weil die Medienkunst in den 1970ern noch so marginalisiert ist, dass sie bedenkenlos auch den Frauen überlassen werden kann. Während die Malerei und klassische Musik als die einzigen wahren Künste gelten und bis heute von patriarchalischen Strukturen geprägt sind, ist die Videoszene schon in den 1970er-Jahren kollaborativ ausgerichtet, ganz ohne Geschlechterkampf. Gemeinsam produzieren sie gewissermaßen „Outsider Art“ in einer Nische, in der auch Frauen sich künstlerisch betätigen können.

Bis heute sind die elektronischen Künste kein Terrain für eine gender-spezifische Hierarchisierung, vielleicht auch, weil ihre verschiedenen Formen noch immer nicht marktfähig sind. Auch ist das Klischee, dass die männliche Affinität zu den technischen Künsten größer sei, hier offensichtlich nicht zutreffend. Offenbar ist es für Frauen sogar manchmal leichter, sich neue mediale Möglichkeiten zu erschließen, als sich im männlich dominierten Diskurs der klassischen Künste zu verorten und durchzusetzen.

Die Einzelausstellungen in der Übersicht

»Soun-Gui Kim: Lazy Clouds«10. September 2022 – 5. Februar 2023

»Marijke van Warmerdam. Then, now, and then«

29. Oktober 2022 – 5. Februar 2023
»Analivia Cordeiro. From Body to Code«28. Januar – 7. Mai 2023

»Ulrike Rosenbach. Heute ist morgen«

3. Juni 2023 – 7. Januar 2024

Als die zeitgenössische Medienkunst zunächst in der Erfindung der modernen Videotechnologie ihre maßgebliche Ausdrucksweise fand, waren es im Kern drei Aspekte, die aus heutiger Sicht als spezifische künstlerische Herausforderungen verstanden werden können.

Die technischen Parameter: Die Mobilität der leicht zu handhabenden Videokamera und die mögliche Simultanität von Aufnahme und Sendung eröffneten ein neues Spektrum an erweiterter Bilderfahrung und visueller Kultur. Die Eroberung der Dimension Zeit: Die Möglichkeit, Kunst-Erfahrung in der zeitlichen Dimension zu erfassen und auch zu vermitteln, setzte nicht nur künstlerische Kreativität frei, sondern „erzwang“ auch ein anderes Rezeptionsverhalten, das die Reflektion von Zeiterfahrung nahelegte, wenn nicht einforderte. Das erweiterte Sendungsbewusstsein: Inspiriert vom breiten Wirkungsradius des Mediums Fernsehen wurde Videokunst von Anfang an auch als politisches Medium erfahren, genutzt und geschätzt, das eine andere Art von Fernsehen ermöglichen sollte. Dabei suchten die Künstlerinnen immer auch die Verbindung zu Performance und Konzeptkunst.

Wie autonom die Pionierinnen mit den neuen zeitbasierten Künsten arbeiten, zeigt sich in jeder der vier Einzelausstellungen der Künstlerinnen Soun-Gui Kim (*1946 in Buyeo, Korea), Marijke van Warmerdam (*1959 in Nieuwer-Amstel, Niederlande), Analivia Cordeiro (*1954 in Sao Paulo, Brasilien), Ulrike Rosenbach (*1943 in Bad Salzdetfurth bei Hildesheim). Geprägt durch ihre kulturellen Umfelder entwickelte jede Künstlerin ein eigenes Werk. Die Koreanerin Kim, die schon früh nach Frankreich ging und in den 1970ern in den USA arbeitete, versteht die Videotechnik als kosmisches Medium, als Medium der bewusstseinserweiternden Bilder. Ulrike Rosenbach, fast gleich alt wie Kim, ist hingegen mehr dem Feminismus, der politischen Agitation verpflichtet. Sie tritt als Kritikerin der Gesellschaft auf und ist in den 1980er-Jahren aufgrund ihres Feminismus vom Kunstmarkt verschwunden. Die etwa zehn Jahre jüngere Marijke van Warmerdam folgt der Wiederholung als Motiv. Sie sucht aus der Kritik gegenüber den Medienwissenschaften in ihrer Kunst nach der Differenz in der Wiederholung. Analivia Cordeiro prägt seit den frühen 1970er-Jahren als erste Videokünstlerin die gesamte Medienkunst Südamerikas. Auch ihr widmet das ZKM | Karlsruhe eine große Einzelausstellung.  

»Femmes4Music«
Digitalfeature zu herausragenden Komponistinnen

Auch in der Musik sind Frauen bei Weitem noch nicht ausreichend sichtbar. Wie die Videokunst bietet in der Musik die elektronische Klangkunst, deren Grenze zu Performance und Konzeptkunst fließend ist, Künstlerinnen eine Nische. Mit »Femmes4Music« stellt das ZKM die Komponistinnen vor, die zwischen den 1940er und 1960ern geboren wurden und deren Werke international großes Renommee erfahren haben. Die Edition »Masters of Music« präsentiert ausschließlich Männer, auch wenn die vier Komponistinnen hier schon lange vertreten sein müssten. Selbstverständlich hat das ZKM | Karlsruhe sich vereinzelt schon immer wieder mit diesen Komponistinnen befasst.

Die Reihe »Femmes4Music« in der Übersicht
Hier online

Komponistinnen

Organisation / Institution
ZKM | Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe