Ausstellung
intermedium 2 (Ausstellung)
X oder O. Identitäten im 21. Jahrhundert
Fr, 22.03. – Do, 28.03.2002
© ZKM | Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe
Herbert Kapfer: »intermedium: Netzwerk für Medienkunst«
Medien sind fast allgegenwärtig. Die Auseinandersetzung mit Medienrealität ist ein elementares Thema der künstlerischen Arbeit im engeren Sinn. Deren Öffentlichkeit ist begrenzt. Der Info-und-Entertainment-Strom ignoriert künstlerische Fragestellungen und verweigert Reflexion. Es erzählt sich sozusagen alles von selbst. Das genaue Gegenteil ist in und an den Künsten zu beobachten: hier erzählt sich nichts von selbst, stellt sich nichts von selbst dar, ohne in einem ästhetischen Prozess die Erzählweisen, die Formen der Darstellung sowie die Frage der Mittel und Medien spezifisch am Sujet bestimmt zu haben. Das rückwärtsorientierte Postulat, demzufolge »wieder erzählt« werden müsse, kann zurückgespiegelt werden: die Fülle experimenteller Erzähl- und Darstellungsweisen erfährt nur, wer sich selbst die dafür notwendige Offenheit gestattet und die Freiheit der Wahrnehmung nimmt.
Nur so kann die Differenz zwischen Erzählen und Berechnen, zwischen Erzählfluss und Datenstrom, zwischen Information über und Erkenntnis für Menschen erfahren werden. Ein nicht-reflektierter Umgang mit Medien bedeutet mentales Abschalten.
Vom Begriff des Erzählens zur Entstehung der Initiative »intermedium«: Das oben erwähnte Phänomen der Künste-in-Bewegung-aufeinander-zu war in den 1990er-Jahren auch im Genre Hörspiel festzustellen. Die Zunahme ästhetischer und medialer Mischformen aus Performances, Live-Sendungen, musiktheaterinspirierten Aufführungen, Remix-Projekten, online-Präsentationen und interaktiven Versuchen war auslösend für die Idee, ein Festival zu veranstalten. Dort sollten von den Sparten Hörspiel, Akustische Kunst, Klangkunst ausgehend intermediale Projekte zur Diskussion gestellt und ausgestrahlt werden.
Die weitere Geschichte ist schnell erzählt: Im November 1999 initiierte der Bayerische Rundfunk das Medienkunstfestival »intermedium 1«, das in der Akademie der Künste in Berlin stattfand und mit zahlreichen Sendungen verbunden war. Partner waren die Hörspielabteilungen der ARD, DeutschlandRadio und das ZKM | Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe.
Die »intermedium 1« brachte Intermediale Performance Audiolounge Gespräch Hörspiel Film. Um der Initiative intermedium perspektivisch die Möglichkeiten konzeptueller und medialer Offenheit zu erhalten und Erstarrung zu vermeiden, sollte das Festival an wechselnden Orten mit wechselnden Veranstaltungspartnern und Koproduzenten jedes Mal neu kreiert werden: Nach der »intermedium 1« in Berlin und der »intermedium 2« in Karlsruhe soll München ein Zentrum für die »intermedium 3« werden.
»intermedium« ist ein Netzwerk für Medienkunst. »intermedium« kombiniert Festivalveranstaltungen und Sendungen in den Medien Hörfunk und World Wide Web. »intermedium« ist organisatorisch beim Bayerischen Rundfunk angesiedelt und wird in Zusammenarbeit mit Kulturinstituten, Medienzentren, Bühnen und öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten realisiert.
»intermedium« ist interdisziplinär und versteht sich als Initiative aus dem Medium Hörfunk, um die künstlerische Kooperation mit anderen Medien und Künsten zu erproben; neben der Entwicklung und Präsentation künstlerischer Projekte beteiligt sich intermedium am technisch-künstlerischen und medien- bzw. kulturpolitischen Diskurs. Themen sind: Elektronik als Lebensstil, intermedialer Alltag, Cyber-Moderne, Medientotalität, Wechselwirkung zwischen Kunst und Medien, Popkultur, Industrie und Piraterie, Medienkonvergenz, Netzkunst und Kunst im Zeitalter der Globalisierung, Informationsgesellschaft.
Peter Weibel: »intermedium: Remapping der Medien«
Die technische Transformation der künstlerischen Praktiken seit ca. 150 Jahren, seit dem Auftauchen der Fotografie, dem Beginn der technischen Bildmedien, bedeutet eine Kehre der Kunst und eine Kunst der Kehre. Die am traditionellen Tafelbild herausgearbeiteten ästhetischen Kriterien konnten lange Zeit nicht in Einklang mit dem exponentiell wachsenden Universum der technischen Bilder gebracht werden. Die Kluft zwischen den von Menschen und Maschinen erzeugten Bildern der Massenmedien, der Wissenschaft und des Alltags und den von Künstlern erzeugten Bildern, die den überlieferten ästhetischen Codes Genüge leisteten, wurde immer größer. Die Frage nach der Kunstfähigkeit der technischen Bilder beschäftigte uns daher die letzten 150 Jahre. Diese Frage scheint, zumindest vorübergehend, beantwortet zu sein, ebenso die Frage nach der spezifischen Diskursivität, nach der spezifischen Eigenheit der jeweiligen Medien. Im Augenblick scheint es darum zu gehen, die Kartografie der Medien neu zu entwerfen und die spezifischen Mediengrenzen zu überschreiten.
In den 1960er-Jahren ist erstmals die Ausdifferenzierung der diversen Medien als Metadiskurs begriffen worden und mit Namen wie Multimedia und Intermedia bezeichnet worden. Man verstand darunter entweder eine Akkumulation und Addition der Medien bzw. eine Ästhetik, die zwischen den Medien oszillierte. Unter dem Einfluss wissenschaftlicher Methoden von Kybernetik, Semiotik und Strukturalismus wurden die bislang separierten Medien als Texte betrachtet, die zwar spezifischen immanenten Bedingungen gehorchten, aber dennoch unter den universalen Begriff eines Codes oder Textes subsummiert werden konnten. Medien als Texte verlangten nach einer intertextuellen Kompetenz. Intertextualität und Intermedialität wurden so zu verwandten Begriffen, zu zwei Kehrseiten einer erweiterten künstlerischen Praxis.
Angesichts der gesellschaftlichen Wirklichkeit, die am Ende dieses Jahrhunderts wesentlich davon geprägt ist, dass die Printmedien und die Elektronischen Medien einen globalen Medienraum errichten, der die klassische sinnliche Realität überformt, ist Kunst als Metadiskurs, der intertextuell arbeitet, die einzige kritische Diskursmöglichkeit, um das heterogene Gewebe der Medienwelt, das ein Patchwork aus einer Vielzahl von Makro- und Mikrodiskursen ist, analytisch zu durchdringen.
Das Thema der multiplen Identität, wie es im Titel der Veranstaltung »intermedium 2« angesprochen wird, entspringt präzise jenen Techno-Transformationen des Sozialen, wie sie sich in den multiplen Medien widerspiegeln. Die Techno-Transformationen, welche die Bewegungsmaschinen Eisenbahn, Auto, Flugzeug und die Kommunikationsmaschinen Telegrafie, Telefonie, Television und die Bildmaschinen Fotografie, Film, Fernsehen hervorgebracht haben, haben die Grundlagen unserer Raum/Zeiterfahrung, die bis zu ihrem Auftauchen rein körperzentriert waren, und damit die Möglichkeiten des Subjekts radikal verändert.
Im optionalen Subjekt, das im Laufe seines Lebens jene Positionen durchläuft, welche die Gesellschaft als Optionen anbietet, bzw. im positionellen Subjekt, das im Laufe seines Lebens jene Positionen durchläuft, welche die Gesellschaft anbietet, korrelieren das posthumane Subjekt und die postmoderne Informationsgesellschaft. Das Subjekt wird variabel, wie schon Robert Musil in seinem grandiosen Roman mit dem bezeichnenden Titel Der Mann ohne Eigenschaften die historische „Erpressung zur Identität“ (Jean Baudrillard) analysiert hat: „Er ahnt: diese Ordnung ist nicht so fest, wie sie sich gibt; kein Ding, kein Ich, keine Form, kein Grundsatz sind sicher...“ Die Diskurse, Performances, Installationen, Hörspiele, Netzwerke, Videos von »intermedium 2« sollen über diese Veränderungen Auskunft geben.
Medien sind fast allgegenwärtig. Die Auseinandersetzung mit Medienrealität ist ein elementares Thema der künstlerischen Arbeit im engeren Sinn. Deren Öffentlichkeit ist begrenzt. Der Info-und-Entertainment-Strom ignoriert künstlerische Fragestellungen und verweigert Reflexion. Es erzählt sich sozusagen alles von selbst. Das genaue Gegenteil ist in und an den Künsten zu beobachten: hier erzählt sich nichts von selbst, stellt sich nichts von selbst dar, ohne in einem ästhetischen Prozess die Erzählweisen, die Formen der Darstellung sowie die Frage der Mittel und Medien spezifisch am Sujet bestimmt zu haben. Das rückwärtsorientierte Postulat, demzufolge »wieder erzählt« werden müsse, kann zurückgespiegelt werden: die Fülle experimenteller Erzähl- und Darstellungsweisen erfährt nur, wer sich selbst die dafür notwendige Offenheit gestattet und die Freiheit der Wahrnehmung nimmt.
Nur so kann die Differenz zwischen Erzählen und Berechnen, zwischen Erzählfluss und Datenstrom, zwischen Information über und Erkenntnis für Menschen erfahren werden. Ein nicht-reflektierter Umgang mit Medien bedeutet mentales Abschalten.
Vom Begriff des Erzählens zur Entstehung der Initiative »intermedium«: Das oben erwähnte Phänomen der Künste-in-Bewegung-aufeinander-zu war in den 1990er-Jahren auch im Genre Hörspiel festzustellen. Die Zunahme ästhetischer und medialer Mischformen aus Performances, Live-Sendungen, musiktheaterinspirierten Aufführungen, Remix-Projekten, online-Präsentationen und interaktiven Versuchen war auslösend für die Idee, ein Festival zu veranstalten. Dort sollten von den Sparten Hörspiel, Akustische Kunst, Klangkunst ausgehend intermediale Projekte zur Diskussion gestellt und ausgestrahlt werden.
Die weitere Geschichte ist schnell erzählt: Im November 1999 initiierte der Bayerische Rundfunk das Medienkunstfestival »intermedium 1«, das in der Akademie der Künste in Berlin stattfand und mit zahlreichen Sendungen verbunden war. Partner waren die Hörspielabteilungen der ARD, DeutschlandRadio und das ZKM | Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe.
Die »intermedium 1« brachte Intermediale Performance Audiolounge Gespräch Hörspiel Film. Um der Initiative intermedium perspektivisch die Möglichkeiten konzeptueller und medialer Offenheit zu erhalten und Erstarrung zu vermeiden, sollte das Festival an wechselnden Orten mit wechselnden Veranstaltungspartnern und Koproduzenten jedes Mal neu kreiert werden: Nach der »intermedium 1« in Berlin und der »intermedium 2« in Karlsruhe soll München ein Zentrum für die »intermedium 3« werden.
»intermedium« ist ein Netzwerk für Medienkunst. »intermedium« kombiniert Festivalveranstaltungen und Sendungen in den Medien Hörfunk und World Wide Web. »intermedium« ist organisatorisch beim Bayerischen Rundfunk angesiedelt und wird in Zusammenarbeit mit Kulturinstituten, Medienzentren, Bühnen und öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten realisiert.
»intermedium« ist interdisziplinär und versteht sich als Initiative aus dem Medium Hörfunk, um die künstlerische Kooperation mit anderen Medien und Künsten zu erproben; neben der Entwicklung und Präsentation künstlerischer Projekte beteiligt sich intermedium am technisch-künstlerischen und medien- bzw. kulturpolitischen Diskurs. Themen sind: Elektronik als Lebensstil, intermedialer Alltag, Cyber-Moderne, Medientotalität, Wechselwirkung zwischen Kunst und Medien, Popkultur, Industrie und Piraterie, Medienkonvergenz, Netzkunst und Kunst im Zeitalter der Globalisierung, Informationsgesellschaft.
Peter Weibel: »intermedium: Remapping der Medien«
Die technische Transformation der künstlerischen Praktiken seit ca. 150 Jahren, seit dem Auftauchen der Fotografie, dem Beginn der technischen Bildmedien, bedeutet eine Kehre der Kunst und eine Kunst der Kehre. Die am traditionellen Tafelbild herausgearbeiteten ästhetischen Kriterien konnten lange Zeit nicht in Einklang mit dem exponentiell wachsenden Universum der technischen Bilder gebracht werden. Die Kluft zwischen den von Menschen und Maschinen erzeugten Bildern der Massenmedien, der Wissenschaft und des Alltags und den von Künstlern erzeugten Bildern, die den überlieferten ästhetischen Codes Genüge leisteten, wurde immer größer. Die Frage nach der Kunstfähigkeit der technischen Bilder beschäftigte uns daher die letzten 150 Jahre. Diese Frage scheint, zumindest vorübergehend, beantwortet zu sein, ebenso die Frage nach der spezifischen Diskursivität, nach der spezifischen Eigenheit der jeweiligen Medien. Im Augenblick scheint es darum zu gehen, die Kartografie der Medien neu zu entwerfen und die spezifischen Mediengrenzen zu überschreiten.
In den 1960er-Jahren ist erstmals die Ausdifferenzierung der diversen Medien als Metadiskurs begriffen worden und mit Namen wie Multimedia und Intermedia bezeichnet worden. Man verstand darunter entweder eine Akkumulation und Addition der Medien bzw. eine Ästhetik, die zwischen den Medien oszillierte. Unter dem Einfluss wissenschaftlicher Methoden von Kybernetik, Semiotik und Strukturalismus wurden die bislang separierten Medien als Texte betrachtet, die zwar spezifischen immanenten Bedingungen gehorchten, aber dennoch unter den universalen Begriff eines Codes oder Textes subsummiert werden konnten. Medien als Texte verlangten nach einer intertextuellen Kompetenz. Intertextualität und Intermedialität wurden so zu verwandten Begriffen, zu zwei Kehrseiten einer erweiterten künstlerischen Praxis.
Angesichts der gesellschaftlichen Wirklichkeit, die am Ende dieses Jahrhunderts wesentlich davon geprägt ist, dass die Printmedien und die Elektronischen Medien einen globalen Medienraum errichten, der die klassische sinnliche Realität überformt, ist Kunst als Metadiskurs, der intertextuell arbeitet, die einzige kritische Diskursmöglichkeit, um das heterogene Gewebe der Medienwelt, das ein Patchwork aus einer Vielzahl von Makro- und Mikrodiskursen ist, analytisch zu durchdringen.
Das Thema der multiplen Identität, wie es im Titel der Veranstaltung »intermedium 2« angesprochen wird, entspringt präzise jenen Techno-Transformationen des Sozialen, wie sie sich in den multiplen Medien widerspiegeln. Die Techno-Transformationen, welche die Bewegungsmaschinen Eisenbahn, Auto, Flugzeug und die Kommunikationsmaschinen Telegrafie, Telefonie, Television und die Bildmaschinen Fotografie, Film, Fernsehen hervorgebracht haben, haben die Grundlagen unserer Raum/Zeiterfahrung, die bis zu ihrem Auftauchen rein körperzentriert waren, und damit die Möglichkeiten des Subjekts radikal verändert.
Im optionalen Subjekt, das im Laufe seines Lebens jene Positionen durchläuft, welche die Gesellschaft als Optionen anbietet, bzw. im positionellen Subjekt, das im Laufe seines Lebens jene Positionen durchläuft, welche die Gesellschaft anbietet, korrelieren das posthumane Subjekt und die postmoderne Informationsgesellschaft. Das Subjekt wird variabel, wie schon Robert Musil in seinem grandiosen Roman mit dem bezeichnenden Titel Der Mann ohne Eigenschaften die historische „Erpressung zur Identität“ (Jean Baudrillard) analysiert hat: „Er ahnt: diese Ordnung ist nicht so fest, wie sie sich gibt; kein Ding, kein Ich, keine Form, kein Grundsatz sind sicher...“ Die Diskurse, Performances, Installationen, Hörspiele, Netzwerke, Videos von »intermedium 2« sollen über diese Veränderungen Auskunft geben.
Event Website
Impressum
- Kurator/in
- Ko-Kurator/in
Team
Hartmut Bruckner (Technische Mitarbeit)
Sabine Himmelsbach (Projektleitung)
Manuel Weber (Technische Mitarbeit)
Organisation / Institution
Bayrischer Rundfunk, Hörspiel und Medienkunst
Kooperationspartner
Hessischer Rundfunk ; Westdeutscher Rundfunk ; Eins Live ; DeutschlandRadio Berlin ; Österreichischer Rundfunk ; Schweizer Radio DRS ; Südwestrundfunk ; DASDING ; Mitteldeutscher Rundfunk ; Radio Bremen ; Saarländischer Rundfunk ; Schauspiel Frankfurt ; Jan van Eyck Akademie ; SWR Studio Karlsruhe ; SWR Hörfunk-Außenübertragung Baden-Baden
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