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Ausstellung

Notation

Kalkül und Form in den Künsten

So, 01.03. – So, 26.07.2009

© ZKM | Karlsruhe

»Notation. Kalkül und Form in den Künsten«, eine Ausstellung des ZKM | Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe und der Akademie der Künste, Berlin, widmet sich dem vielfältigen Spektrum der künstlerischen Prozesse zwischen Konzept und Werk.
Die Ausstellung setzt Arbeiten aus allen Bereichen der Kunst von 1900 bis heute zueinander in Beziehung: Zeichensysteme zu Literatur, Musik, Malerei, Choreografie, Architektur, Fotografie, Film und Medienkunst. Mehr als fünfhundert Positionen von über hundert KünstlerInnen aus internationalen Sammlungen, dem ZKM | Karlsruhe und aus dem Archiv der Akademie der Künste werden gezeigt. In der Verbindung von wissenschaftlichem Kalkül und künstlerischer Form haben die KünstlerInnen des 20. Jahrhunderts immer neue Wirklichkeiten sichtbar gemacht. Morphische Resonanzen, serielle Strukturen und Schallwellen: Die Moderne hat die geistige Seite der Existenz, immaterielle Phänomene, das Ephemere als Forschungsfeld der Künste wieder entdeckt. Dabei wurden das Verhältnis zwischen Konzept, Aufzeichnung, Wiederholung und Werk radikal neu bestimmt und die Entwurfsprozesse selbst zu autonomen Kunstwerken. Diese stehen im Zentrum der Ausstellung des Bildtheoretikers Hubertus von Amelunxen, des Künstlers Dieter Appelt sowie des Medienkünstlers Peter Weibel.
Partituren, Notationen, fotografische Serien, Filmexperimente spiegeln die offenen Strukturen des Klangs, des Rauchs, des Lichts, der Bewegung, der Zeit – und ermöglichen dem Betrachter einen ungeahnten Blick auf die verborgenen Welten unserer Wirklichkeit. Die Ausstellung Notation. Kalkül und Form in den Künsten erschließt eine andere Lesart der künstlerischen Entwürfe. John Cage und Étienne-Jules Marey, Walter Benjamin, Edgard Varèse und Iannis Xenakis, Mary Wigman und Robert Walser, Ezra Pound und Marcel Broodthaers, Allan McCollum und Mel Bochner, Antonin Artaud und Pierre Boulez: Die KünstlerInnen des 20. Jahrhunderts entwarfen Beziehungsfelder in Notationen, (in den Worten von György Ligeti) als Anweisung zum Spiel, als Mittel zur Kommunikation oder aber als autonome Werke.
Auf klassische Weise werden Reihenfolgen in Notationen festgelegt. Eine Notation trägt also dazu bei, die zeitliche Form eines Vorgangs, eines Versuchs, einer Aufführung mit einem Maß zu versehen, in dem die Prinzipien der Wiederholbarkeit niedergelegt sind. Diese Ausstellung handelt von dem Entsprechen und dem Widersprechen der Wiederholung in den Künsten des 20. und 21. Jahrhunderts. Vor vierzig Jahren zeigten John Cage, Alison Knowles und der Zufall eine Ausstellung mit Notationen von 250 KünstlerInnen, um einen Eindruck von der Vielfalt der Möglichkeiten zu vermitteln, Musik und Aktionen zu notieren und jede Notation einem neuen Ursprung zuzuführen. Unter dem Titel »Working Drawings And Other Visible Things On Paper Not Necessarily Meant To Be Viewed As Art« (Arbeitszeichnungen und andere sichtbaren Dinge auf Papier, nicht unbedingt als Kunst zu betrachten) kuratierte Mel Bochner 1966 eine Ausstellung in der School of Visual Arts in New York mit vier mal hundert Photokopien, präsentiert in vier Ordnern mit je hundert Klarsichthüllen auf vier Sockeln. Die Photokopien zeigten Papierarbeiten unterschiedlichster Herkunft, ob Entwürfe zu künstlerischen Arbeiten, geschrieben, gezeichnet, gerechnet, ob Diagramme, Grundrisse oder den Funktionsplan der damals für die School of Visual Arts gerade erworbenen »Xerox-Maschine«. Notation und Reproduktion sind seit dem Aufkommen der Medientechnik im 19. Jahrhundert eine enge Verbindung eingegangen. Der Prozess selbst, Kunst zur Darbietung aufzuschreiben, unterliegt wie jeder Kommunikationsverlauf tradierten Formen und unterläuft diese mit der Öffnung anderer Möglichkeitsfelder. Die Notation verhalte sich zur Improvisation wie das Porträt zum lebendigen Modell, schrieb Ferrucio Busoni 1916 in seinem Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst. Der Vortragende habe die Starrheit der Zeichen wieder aufzulösen und diese in Bewegung zu bringen. Ob solche Bewegung aber wieder in eben jene Zeichen zurückzuführen ist, die sie verlassen hat, ist eine Frage, die an die Bestimmtheit, die relative Bestimmtheit oder aber die Unbestimmtheit des Kunstwerks gestellt wurde und wird. »Notation. Kalkül und Form in den Künsten« ist eben dieser Bewegung gewidmet, innerhalb derer das Verhältnis zwischen Entwurf, Aufzeichnung, Wiederholung, Reproduktion und Werk im 20. Jahrhundert in und zwischen den Künsten mit einiger Radikalität neu gefasst wurde.

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