YOU_ser
Das Jahrhundert des Konsumenten
So, 21.10.2007 – Do, 30.04.2009
Im 19. Jahrhundert ist das 20. Jahrhundert imaginiert worden als Technologie der Mobilisierung und Personalisierung. Mit PC und Handy etc. sind diese Phantasien eingetreten. Diese Technologien haben aber auch die Kunst verändert. Die Geschichte der Betrachter von Kunst und der Besucher von Museen hat im 20. Jahrhundert neue Akzente erhalten. Nach 1945 hat in der Neuen Musik und in der bildenden Kunst die Partizipation des Publikums als Teil des Kunstwerkes eingesetzt. Die Medienkunst hat die Teilnahme des Betrachters am Entstehen des Kunstwerkes als Interaktivität zwischen Betrachter und Kunstwerk, im Sinne einer wechselseitigen Beeinflussung, etabliert (im 1. Stock des Medienmuseums kann man diese Entwicklung nachvollziehen). Im 21. Jahrhundert erzeugt nun der Betrachter durch die Möglichkeiten des Internets auch die Inhalte der Kunstwerke, die untereinander ausgetauscht und im Netz frei verteilt werden können. Der Betrachter wird zum Nutzer/User. Die Ausstellung »YOU_ser: Das Jahrhundert des Konsumenten« zeigt in den nächsten ein bis zwei Jahren mit wechselnden Kunstwerken und Positionen erstmals Konturen dieser neuen Nutzerkunst.
I. Gegenstand, Gebrauch, Gebrauchsanweisung
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hat die Kunst der Moderne die Referenz zur Realität bzw. die Repräsentation von Realität neu definiert. Die Malerei zerschnitt das Band zur Realität der Gegenstandswelt: sie wurde ungegenständlich, abstrakt (Kasimir Malewitsch). Andererseits wurde der aus dem Bild verbannte Gegenstand als realer Gegenstand (Marcel Duchamp) wieder in die Kunst eingeführt. Die Repräsentation der Gegenstandswelt war in der Malerei untersagt, die Realität der Gegenstandswelt hingegen war willkommen. Auch die Bildhauer hörten auf, die äußere Welt zu repräsentieren. Der reale Gegenstand selbst wurde zur Skulptur.
Solange der Gegenstand nur ein Bild war, stellte sich die Frage des Gebrauchswerts des abgebildeten Gegenstands nicht. Denn der Gebrauch eines nur gemalten Gegenstandes war in der Realität nicht möglich. Mit der Verwendung realer Gegenstände im Kunstsystem tauchte die Frage des Gebrauchs (»use«) auf. Bildet ein realer Alltagsgegenstand die Skulptur, kann diese auch als solcher benutzt werden. Duchamp negierte mit seinen industriellen Readymades den Gebrauch seiner Gegenstände. Das umgedrehte Urinoir war nicht zu verwenden. Duchamp präsentierte es als ästhetisches Objekt. Auch die Surrealisten lehnten die Gebrauchsfähigkeit ihrer ästhetischen Gegenstände ab, um deren rein symbolische Funktion zu inszenieren. Brancusi hingegen sah seine handgemachten Skulpturen bereits in dreifacher Gebrauchsfunktion. Eine Skulptur konnte ebenso der Sockel für eine andere Skulptur sein wie ein Hocker zum Sitzen. Der Hocker wiederum konnte das Podest für eine Skulptur sein, sowie selbst eine Skulptur oder ein Gebrauchsgegenstand. Auch die Produktivisten um Alexander Rodtschenko erweiterten um 1920 den Skulpturbegriff und stellten gebrauchsfähige Stühle für die Arbeiterclubs her.
Mit dem Gebrauchsgegenstand hielt auch die Gebrauchsanweisung Einzug in die Kunst. Denn ohne Gebrauchsanweisung sind die meisten Gegenstände nicht zu gebrauchen. Die Gebrauchsanweisung wurde zur Handlungsanweisung für den Betrachter und machte diesen zum Akteur. Marcel Duchamp beispielsweise gab genaue Anweisungen, wie ein Bild zu betrachten sei. Mit der Gebrauchsfähigkeit der ästhetischen Objekte trat auch der »Gebraucher« auf den Plan. Der Gebrauchsgegenstand wurde später sogar durch die Gebrauchsanweisung (Handlungsanweisung) ersetzt, die implizit jeden Gegenstand und jedes Kunstobjekt immer schon begleitet hatte. 1968 erfüllte Franz Erhard Walther diese Forderung mit seinem Buch Objekte, benutzen. Der Benutzer (»User«) übernahm eine zentrale Rolle im Reich der Kunst. Er ist es, der gewissermaßen das Kunstwerk vollendet. Denn nur der Nutzer bringt im Umgang mit den Gegenständen das Kunstwerk zur Existenz und zur Entfaltung, wie es der medial erweiterte Skulpturbegriff von Erwin Wurm deutlich zeigt.
Der Akzeptanz des Betrachters als Handelndem ging seine Aufwertung als reflektierendes und kreatives Subjekt voraus: „Alles in allem“, formulierte dies Duchamp 1957, „wird der kreative Akt nicht vom Künstler allein vollzogen; der Zuschauer bringt das Werk in Kontakt mit der äußeren Welt, indem er dessen innere Qualifikationen entziffert und interpretiert und damit seinen Beitrag zum kreativen Akt hinzufügt.“1 Der Rezipient ist integraler Bestandteil des kreativen Aktes. Der Zuschauer wandelt sich zum Künstler, der Konsument zum Produzenten.
II. Neue Musik: Partitur und Performance
Die Kultur des Rezipienten bzw. Interpreten hat in der Musik einen besonderen Stellenwert. Wir müssen nur den Begriff »Zuschauer« durch »Interpret« und den Begriff »Künstler« durch »Komponist« ersetzen: „Alles in allem wird der kreative Akt nicht vom Komponisten allein vollzogen; der Interpret bringt das Werk in Kontakt mit der äußeren Welt, indem er dessen innere Qualifikationen entziffert und interpretiert und damit seinen Beitrag zum kreativen Akt hinzufügt.“ Der Komponist schreibt eine Partitur, beispielsweise für Klavier, aber nur der Pianist, der diese Partitur zu interpretieren und zu spielen weiß, realisiert das Werk. Komponisten schreiben Musik. Sie schreiben Gebrauchsanweisungen, zum Beispiel für das Klavier. Die Interpreten setzen die Gebrauchsanweisungen um und schaffen die Musik. Insofern war die Neue Musik der späten 1950er Jahre (Pierre Boulez, John Cage), die sich besonders dem Problem der Partitur widmete und dem Interpreten große Freiheiten zugestand, neben der Geschichte der Skulptur eine weitere wichtige Wurzel für das Entstehen der Nutzerkunst.
„In 1957 New Music was the Center of all Arts Movements and Germany was the Center of the New Music“, schrieb Nam June Paik 1999.2 In der Tat verstärkten sich die partizipatorischen Tendenzen in der Kunst in den 1950er Jahren mit der Freiheit des Interpreten gegenüber einer Partitur, die nicht selten aleatorisch war oder gar aus direkten Anweisungen bestand. 1960 schrieb der Komponist La Monte Young die »Composition #7: draw a straight line and follow it«. 1962 schrieb Nam June Paik in seinen Anweisungen als Musik »Read-Music – Do it yourself – Answers to La Monte Young«: „See your right eye with your left eye“. Die Freiheit des Interpreten innerhalb der Instruktionen der Partitur, Zufall und Unbestimmtheit, waren seit Cage bedeutende Themen in der Neuen Musik. Paik übertrug diese Kompositionstechniken von der Welt der Töne in die Welt der Bilder. Bei diesem Transfer trat an die Stelle des Musikers das Publikum selbst als Interpret bzw. Partizipient: „As the next step toward more indeterminancy, I wanted to let the audience (or congregation, in this case) act and play itself“, schrieb Paik in seinem Essay »About the Exposition of Music« in Décollage, Nr. 3, 1962. Seine Videoskulptur »Participation TV« (1963) ließ das Publikum über Mikrophon und einen Signalverstärker die Bilder eines Schwarz-Weiß-Fernsehers verändern – ein zentrales Werk für die folgenden Dekaden der interaktiven Medienkunst. Seine Arbeit »Random Access« bestand aus Tonbändern, die an die Wand geklebt waren. Der Betrachter bzw. Nutzer konnte mit einem mobilen Tonkopf daran entlang fahren und dabei selbst Musik erzeugen. Er wurde gleichsam zu einem Pianisten, der auf der Tonspur navigierte und dabei selbst komponierte. Die Geburt der Medienkunst und ihrer partizipativen Tendenzen erfolgte in der Tat aus dem Geist der Musik um 1960.3 Die Aktionskunst (Happening, Fluxus, Performance und Event) war neben malerischen und literarischen Quellen auch von musikalischen Problemen beeinflusst. Es waren die Schüler des Musikers John Cage, die die Idee der Partitur als Instruktion an den Interpreten auf das Publikum übertrugen. Beim Übertragen partizipatorischer Prinzipien von der akustischen auf die visuelle Kunst war es das Publikum, das als Akteur des Kunstwerkes ins Zentrum geriet.
III. Aktion und Partizipation des Publikums
Der Fluxuskünstler George Brecht, ein Schüler von John Cage, erfand 1959 »Events«, die aus meist binären Anweisungen bestanden. Das berühmte, begriffsbildende Happening von Allan Kaprow »18 Happenings in 6 Parts« (1959) verzeichnet »Instructions« für »a cast of participants«. Yoko Ono begann 1961 mit ihren Performances als Anweisungen an das Publikum. In »Cut Piece« (1964) forderte sie das Publikum auf, auf die Bühne zu kommen und ihr die Kleider abzuschneiden. Sie verwandelte die Kunst der Gebrauchsanweisung für Gegenstände in die Kunst der Anweisung für Menschen.4 Ein weiteres Beispiel für das Ersetzen des Kunstobjektes durch Handlungen und Handlungsanweisungen in der Aktionskunst war das Happening »YOU« (1964) von Wolf Vostell in Long Island, New York. „grundidee: die beteiligten; das publikum in einer satire der zumutbarkeiten des lebens in der form einer probe des chaos zu konfrontieren/ es ist nicht wichtig was ich denke – sondern was das publikum aus den vorgängen und meinem image an eigenem herausnimmt“ (Wolf Vostell).
Auch im Nouveau Réalisme spielt die Aufforderung an das Publikum, sich an der Kreation des Kunstwerks zu beteiligen, eine große Rolle. Mit den »Métamatics«, den Zeichenmaschinen von Jean Tinguely, konnte das Publikum 1959 selbst Zeichnungen ausführen. Niki de Saint Phalle lud in der Ausstellung »Feu à volonté« (1961) das Publikum ein, ein Gewehr in die Hand zu nehmen und auf ihre Assemblagen zu schießen. Pierre Restany, Theoretiker des Nouveau Réalisme, fordert in einem Arbeitspapier von 1971 für die »Actions-Spectacles« eine „action conjuncturelle: eine zeitbedingte Aktion, eine Intervention gleich welcher Art beim Publikum, die darauf abzielt, seine Beteiligung in mehreren Stufen (passiv, spielerisch, aktiv, mitschöpfend) anzuregen“.
Doch nicht allein Neue Musik, Fluxus, Happening, Performance und Nouveau Réalisme entdeckten in den 1960er Jahren den partizipierenden Betrachter, Mitspiele und Mitschöpfer. Bereits in den 1950er Jahren forderten Kinetik und Op-Art die Beteiligung des Betrachters an der Konstruktion des Kunstwerkes ein. „Wir möchten die Aufmerksamkeit des Betrachters erregen, ihn frei machen, ihn auflockern. Wir wünschen seine Anteilnahme. Wir möchten ihn in eine Lage bringen, die ihn in Bewegung setzt und zu ihrem Herren macht.“5 Der Beobachter musste sich bewegen, um die optischen Täuschungen und Phänomene der Op-Art wahrzunehmen. Der Beobachter konnte die kinetischen Bildobjekte und Skulpturen in Bewegung setzen und verändern. Die Werke ermöglichten frühe Formen der Interaktivität. Die im Umfeld der Op-Art und Kinetik entstandene »Arte Programmata« (1962, Umberto Eco) betonte die Rolle des Zufalls innerhalb eines festgelegten Programms. Es entstanden programmierte Skulpturen und Bilder. Diese Programme wurden nicht von Computern ausgeführt, sondern nur konzeptionell programmiert und auf manuelle und mechanische Weise realisiert. Dennoch ist sie als wesentlicher Vorläufer der Computerkunst zu sehen.
Die Instruktionen und Anweisungen der unterschiedlichen Musik- und Kunstrichtungen lassen sich im Begriff des Algorithmus zusammenfassen. Ein Algorithmus ist eine streng definierte Handlungsanweisung mit finiten Elementen und einer determinierten Abfolge die einer Maschine oder einem Menschen mitteilt, was zu tun ist. Die Maschine folgt einer Folge von Ziffern und führt das Programm aus, der Mensch folgt Buchstaben und Symbolen, sei es einem Kochrezept, einer musikalische Partitur oder den Regeln eines Spiels. Die intuitiven Algorithmen in Form von Gebrauchs- und Handlungsanweisungen setzten sich in den Künsten parallel zur Entwicklung der Rechenmaschinen und Maschinensprachen und ihren algorithmischen Prozeduren durch. Ein Beispiel für nutzerorientierte Sprachmaschinen ist der »Looppool 1.2« von Bastian Böttcher, ein »Hyperpoetry Cluster« mit 32 verflochtenen Takt- und Textfragmenten, die ornamental auf einer grafischen Oberfläche dargestellt sind. Der Rezipient kann durch Bedienen einer »Toggle-Taste« den Verlauf des Textes beeinflussen und einen Rap-Track selbst zusammenstellen, ohne das anhaltende Metrum aus dem Takt zu bringen. Jeder Nutzer kann zum Autor eines Rap-Textes werden.
IV. Medienkunst und Emanzipation des Publikums
Mit partizipatorischen Praktiken verwandelten unterschiedliche Kunstbewegungen den Betrachter in einen Benutzer, der sich an der Konstruktion des Kunstwerkes, an dessen Gestalt, Inhalt und Verhalten aktiv beteiligt. Diese Hinwendung zum Rezipienten hat sich durch die technischen Aufzeichnungs- und Übertragungsmedien – Fotografie, Fernsehen, Video, Computer und Internet – radikalisiert. Die Fotografie als demokratisches Medium, das allen erlaubt, alle zu fotografieren, hat die Malerei als aristokratisches Medium und damit ihren Kult der Prominenz desavouiert. Ab 1971 erwählte Braco Dimitrijevic den unbekannten Passanten, den »casual passer-by«, den er zufällig zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort traf, zum Star, indem er ihn auf einem großen Banner vor jenem Haus verewigte, wo er ihm begegnet war. In einer Serie von weiteren Arbeiten setzte er den Unbekannten des Alltags Denkmäler, indem er Straßen nach ihnen benannte, ihre Portraits vor Museen aufhängte oder ihre Namen riesig an Hausfassaden präsentierte. Eine vergleichbare Emanzipation der Namenlosen als Gegengift zum »Celebrity Cult« der Massenkultur und der Kunstwelt inszenierte Jochen Gerz 1972. Er plakatierte die Namen von acht unbekannten Personen, die in der Rue Mouffetard in Paris lebten, auf die Mauern ihrer eigenen Straße. Das Publikum partizipierte also nicht nur an der Produktion des Kunstwerkes, sondern das Publikum selbst wurde zum Kunstwerk oder zum Star deklariert. Das Publikum wurde zum Inhalt. Wie auch bei der Videoarbeit Der Magische Spiegel (1970) von der Gruppe telewissen, wo in einer »Closed-Ciucuit«-Installation normale Menschen sich selbst erstmals im »Fernsehen« (eigentlich im Video) erblickten. Die Video- und Computertechnologie steigerte die partizipatorischen Optionen in den 80er und 90er Jahren des 20. Jahrhunderts zur Interaktivität.
V. Der emanzipierte Konsument als Künstler
Die Kunstwelt hat eine Veränderung des Konsumentenverhaltens seit 1960 antizipiert und vorbereitet. Die Kreativität wird vom Künstler an den Betrachter weitergegeben. Er überlässt ihm das Gesetz des Handelns. Interaktive Kunstwerke existieren nicht mehr autonom, sondern nur durch die Nutzung des Rezipienten, des Users. Der Künstler wandelt sich vom Helden zum Dienstleister, der Besucher vom passiven Konsumenten zum Star. Heute tauschen Millionen von Menschen über »MySpace.com«, »Flickr.com«, »YouTube.com«, aber auch in virtuellen Welten wie SecondLife.com sowie Blogs täglich Fotos, Texte, Videos und Musik aus. Ein neu strukturierter Raum für die kreativen Äußerungen von Millionen von Menschen entsteht. Beuys sagte schon 1970 „Jeder Mensch ist ein Künstler“. Millionen von Menschen finden täglich im Netz eine Plattform für Kommunikation, Kreativität und Kunst, jenseits von Instanzen wie Verlagen, Museen, Galerien, Zeitschriften, Radio, Fernsehen und Hollywood, die traditionellerweise über die Produktion und den Vertrieb von Werken entscheiden. Der Nutzer wird zum Produzenten, vielleicht zum Künstler. Das Feld der Akteure hat sich erweitert: mit dem Konsumenten als Aktivisten wird Kreativität und Innovation demokratisiert. »User Innovation« und »Consumer Generated Content« beeinflussen nicht nur die Welt der Massenmedien, sondern auch die Welt der Kunst. Die »Creative Industries« der Zukunft werden die emanzipierten Konsumenten und User sein. Auch die Kunst wird zu einem »democratized user-centered innovation system«. Eine neue, emanzipierte Generation von Produzenten-Konsumenten hat sich im Internet herausgebildet. Sie sind User, die Inhalte und Angebote selbst erzeugen, untereinander austauschen und frei im Netz verteilen.
Die Nutzer-Kunst übernimmt diese Strategie für das Kunstsystem. Die Besucher als Nutzer erzeugen die Inhalte und Angebote im Museum selbst, sie tauschen sie untereinander aus und verteilen sie frei im Netz oder im Museum. Das Museum und die klassischen Künstler sind gewissermaßen die Provider, sie stellen die Infrastruktur zur Verfügung. Die Nutzer, die emanzipierten Konsumenten, liefern den Inhalt oder sind selbst der Inhalt. Die Nutzer sind »prosumer« (pro/ducer und con/sumer).
Die Kunst des 20. Jahrhunderts stand unter dem Paradigma der Fotografie. In der elektronischen Welt und deren elektronischen Medien wird die Kunst des 21. Jahrhunderts unter dem Paradigma des Nutzers stehen. Wir werden Zeugen einer neuen Rezipienten- und Konsumentenkultur, die schon im 20. Jahrhundert eingeleitet wurde. Die Informations- und Kommunikationstechnologien öffnen die Tore zu einem Jahrhundert des emanzipierten Konsumenten, der auch in der Kunstwelt dominieren wird.
VI. Der Besucher als Benutzer
Mit der Ausstellung »YOU_ser: Das Jahrhundert des Konsumenten« widmet sich das ZKM | Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe den Auswirkungen der netzbasierten globalen Kreation auf Kunst und Gesellschaft. Kreativität ist nicht länger das Monopol des Künstlers. Mit Hilfe des Internet kann sich das Museum zu einer von Raum und Zeit unabhängigen kommunikativen Plattform der Kreativität für alle entwickeln.6
Die in der Ausstellung präsentierten neuen Installationen übertragen das im Internet entwickelte Potenzial der Gestaltung durch den Benutzer in einen künstlerischen Kontext und ermöglichen den BesucherInnen, sich zu Nutzern zu emanzipieren. Nach der partizipativen und interaktiven Medienkunst generieren die Besucher als Benutzer im Museum nun selbst den Inhalt oder stellen ihn zusammen. Sie werden von Konsumenten zu Produzenten und Programmgestaltern und damit zu Konkurrenten von Fernsehen, Radio und Zeitungen als den historischen Monopolmedien. Die Ausstellungsbesucher können als Künstler, Kuratoren und Produzenten agieren. Sie stehen als Nutzer, als emanzipierte Konsumenten im Zentrum. DU (»YOU«) bist der Inhalt der Ausstellung!
Die Ausstellung bietet dem Benutzer eine breite Palette partizipatorischer Optionen: Erstens, das selbstständige Navigieren durch Datenwelten: redigieren. Zweitens, selbstständiges Zusammenstellen und Montieren von Bildern und Tönen: komponieren. Drittens, selbstständiges Auswählen und Dokumentieren von Bildern und Tönen: kuratieren. Viertens, selbstständiges Erzeugen von Bildern, Tönen und Daten: generieren. »User«-dominiert, »user«-redigiert, »user«-orientiert, »user«-kuratiert, »user«-generiert, »user«-zentriert ist die Ausstellung »YOU_ser: Das Jahrhundert des Konsumenten«. Wird sich am emanzipierten Konsumenten als Subjekt der Geschichte die Zivilisation und Kultur des 21. Jahrhunderts entscheiden?
1 Marcel Duchamp, »The Creative Act«, in: »Session on the Creative Act, Convention of the American Federation of Arts«, Houston, Texas, April 1957.
2 Wulf Herzogenrath (Hg.), »Nam June Paik – Fluxus/Video«, Kunsthalle Bremen, 1999, Widmungsblatt.
3 Wulf Herzogenrath, »Der ost-westliche Nomade«, op. cit., siehe Fußnote 1.
4 Vgl. Jon Hendricks, Yoko Ono: »instructions for paintings by Yoko Ono May 24«, 1962, Budapest, Galeria56, 1993.
5 GRAV (Groupe de Recherche d’Art Visuel: Horacio Garcia-Rossi, Julio Le Parc, François Morellet, Francisco Sobrino, Joël Stein, Yvaral) in: »Stoppt die Kunst«, Manifest, 1965.
6 Michael Mangold, Peter Weibel, Julie Woletz (Hg.), »Vom Betrachter zum Gestalter. Neue Medien in Museen – Strategien, Beispiele und Perspektiven für die Bildung«, Nomos, Baden Baden, 2007.
Impressum
- Kurator/in
Team
Martin Häberle (Technische Projektleitung)
Matthias Ossmann (Technische Projektleitung)
Bernhard Serexhe (Projektleitung)
Organisation / Institution
Sponsoren
Landesbank Baden-Württemberg ; EnBW ; Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg ; Stadt Karlsruhe ; TELEPOLIS ; SüdBest